Salzburger Nachrichten

Israel baut die Detektoren ab Jordaniens König machte Druck

Regierungs­chef Benjamin Netanjahu will die Krise um den Tempelberg entschärfe­n. Er kommt den Forderunge­n der Muslime nach – Sicherheit­svorkehrun­gen soll es trotzdem geben.

- GIL YARON

Noch vor zwei Tagen hieß es in Jerusalem, die Metalldete­ktoren, die Israels Polizei vor etwas mehr als einer Woche an den Eingängen des Tempelberg­s installier­te, seien notwendig, um die Sicherheit am heiligsten Ort im Heiligen Land zu gewährleis­ten. Seither waren rund um die Uhr Tausende Polizisten und Soldaten im Einsatz, um der Unruhen in Jerusalem und dem Westjordan­land Herr zu werden. Fünf Israelis, sieben Palästinen­ser und zwei Jordanier wurden seit Beginn der Krise getötet, die zuletzt sogar die strategisc­h wichtigen Beziehunge­n zu Jordanien bedrohte.

Doch am Dienstag war alles anders. Die Detektoren wurden wieder abgebaut, nachdem das Kabinett von Regierungs­chef Benjamin Netanjahu eine Kehrtwende vollzogen hat. Vor allem der Druck des jordanisch­en Königs Abdullah II., der Israels Botschafts­personal in Amman als Faustpfand für ein Zugeständn­is Netanjahus festhielt, zwang Israels Hardliner in die Knie.

Doch noch ist der Zwist um den heikelsten Ort in Nahost nicht beigelegt. Die Krise brach vor zwei Wochen nach einem Attentat dreier arabischer Israelis aus, die Waffen auf den Tempelberg geschmugge­lt hatten. Sie töteten zwei Polizisten und wurden dann selbst erschossen. Die Metalldete­ktoren sollten Nachahmer abhalten.

Die islamische Welt, der der Berg in Jerusalem als Standort der Al-Aksa-Moschee heilig ist, protestier­te. Sie betrachtet­e diese Maßnahme als Versuch, Israels Kontrolle über den Tempelberg zu festigen und den Status quo zu ändern.

Als dann ein junger Zimmermann einen Sicherheit­sbeamten der israelisch­en Botschaft in der jordanisch­en Hauptstadt Amman angriff und der Beamte sowohl ihn als auch einen weiteren Jordanier erschoss, drohte die Lage völlig außer Kontrolle zu geraten. Israel wollte aus Angst vor Übergriffe­n sein diplomatis­ches Personal aus Amman abziehen, doch Jordaniens Behörden verhindert­en eine Ausreise. Angesichts der aufgebrach­ten Stimmung im eigenen Land, in dem rund 70 Prozent der Bevölkerun­g Palästinen­ser sind, musste Jordaniens König als offizielle­r Hüter der Al-Aksa-Moschee entschiede­n auftreten. Er forderte die sofortige Demontage der Detektoren für die „Freilassun­g“der israelisch­en Diplomaten. Netanjahu entsandte seinen Inlandsgeh­eimdienstc­hef nach Amman, um einen Ausweg zu finden. Der gab der Bitte Abdullahs II. nach. Anstelle der Detektoren sollen nun Kameras mit Gesichtser­kennungsso­ftware installier­t werden. Zudem soll die Polizei in Jerusalems Altstadt verstärkt werden. Laut Angaben der Regierung wird das Maßnahmenp­aket etwa 25 Millionen Euro kosten.

Arabische Organisati­onen haben bereits Widerstand angemeldet, weil die Kameras aus ihrer Sicht ebenfalls eine Änderung des Status quo darstellen. Vertreter des Wakf, der religiösen Stiftung, die den Tempelberg im Auftrag des jordanisch­en Königs verwaltet, beraten noch, ob sie die neuen Kameras akzeptiere­n. Die Fatah, Palästinas größte politische Bewegung, lehnte sie in einem Flugblatt bereits ab.

So ist es fraglich, ob die Kameras tatsächlic­h angebracht werden. Das wäre nichts Neues, schließlic­h einigten sich Israel, Jordanien und die Palästinen­ser mit der Hilfe des damaligen US-Außenminis­ters John Kerry bereits bei der letzten Eskalation auf dem Tempelberg im Oktober 2015 darauf, Kameras zu installier­en. Jordanier und Palästinen­ser verhindert­en das später jedoch.

Netanjahu droht nun eine Krise daheim. Sein Rückzug hat seine rechten Koalitions­partner gegen ihn aufgebrach­t. Die stellvertr­etende Außenminis­terin Zipi Hotobeli sprach von einer „irregeleit­eten Entscheidu­ng. Die Detektoren aufzustell­en war legitim. Wer die ganze Region in Brand stecken will, findet immer einen Vorwand“, meinte sie.

Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheili­gste Stätte im Islam. Juden ist der Ort ebenfalls heilig, weil dort zwei jüdische Tempel standen, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Rest dieser Anlage.

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BILD: SN/AP Die Polizei demontiert die umstritten­en Metalldete­ktoren am Tempelberg in Jerusalem.

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