„Es gibt kaum Schlimmeres als Schmusekurs“
Der baldigen Rektorin der Universität Mozarteum ist klar: Sie ist die dritte Wahl. Das stört sie nicht.
Elisabeth Gutjahr ist als Rektorin der Universität Mozarteum designiert. Dafür gibt sie ihre Position als Rektorin der Musikhochschule in Trossingen, Baden-Württemberg, auf. Was will sie in Salzburg? SN: Warum möchten Sie Rektorin werden? Elisabeth Gutjahr: Mehrfach hatte ich die Gelegenheit, als Gutachterin Teile der Universität Mozarteum kennenzulernen. Dabei und über einige Kollegen habe ich sie als inspirierenden Ort voller Potenzial kennengelernt.
Während hier an der Hochschule Trossingen nur Musik unterrichtet wird, hat die Universität Mozarteum auch Schauspiel und bildende Kunst. Dieses Zusammenspiel finde ich reizvoll und bereichernd.
Ein weiterer Aspekt ist die Gesamtidee des Mozarteums. Die Persönlichkeit Mozarts als Leitgedanke für eine Universität hat noch viel Potenzial. Mozart hat für so vieles gebrannt! Er war nicht nur musikalisch, er war sprachbegabt und ein kluger Psychologe; dass er für Spieluhren komponiert hat, war eine Nebengeschichte, aber es bezeugt sein Interesse an Maschinen, an Spielzeug im humanistischen Sinne. Elisabeth Gutjahr, design. Rektorin
Zudem liebe ich den Ort. Ich habe Salzburg über eine Trakl-Forschung kennengelernt und mag diese Spannung zwischen großzügig und eingepfercht, weltlich und kirchlich, ländlich und glamourös. Die Spannung ist in Salzburg viel konzentrierter als in jeder anderen Stadt Österreichs. Auch in Deutschland kenne ich nichts Vergleichbares. Ich liebe diese Energie, die allerdings auch die Gefahr des Scheiterns birgt. Aber hier kann sich etwas entzünden und entwickeln. SN: Welchen Ruf hat die Universität Mozarteum? Na ja, schon im Vorfeld haben mich viele Kollegen freundlich gewarnt. Ich habe auch Freunde und Kollegen an anderen Musikhochschulen in Österreich, die viele Leidensgeschichten zu berichten wissen. Offensichtlich ist das Temperament, alles öffentlich auszutragen, in Österreich ausgeprägter als in Deutschland und in der Schweiz.
Aber in einen Ruf mischen sich auch Vorurteile und vielleicht auch Neid. Ich glaube, der Universität Mozarteum steht es gut an, Wunden und Risse zu betrachten, die in den letzten zwei Jahren oder länger durch vielleicht zu temperamentvolle Hochschulgestaltung entstanden sind. Allerdings gibt es kaum Schlimmeres als harmonischen Schmusekurs, da geht jedes Institut an Erlahmung zugrunde. Wir brauchen eine Balance zwischen dynamischer österreichischer Streitkultur und konzentrierter Arbeit. SN: Welche Reaktionen vernahmen Sie, als der designierte Rektor Reiner Schuhenn vor zwei Wochen zurücktrat? Da gab es in Deutschland lautes Gelächter, mit welchen Untertönen auch immer. Da hat das Ansehen der Universität Mozarteum gelitten.
Doch ist bewundernswert, wie der Universitätsrat die Kurve genommen hat. Er hat vermittelt: Wir möchten solide weiterarbeiten, wir wollen keine unendliche Geschichte. Ich habe große Hochachtung, dass dies gelungen ist. Diese Kraft, die da aus dem Haus kommt, ist eine gute. SN: Sie sind erst im dritten Anlauf zum Zug gekommen. Sie sind also die dritte Wahl. Ja, das stimmt. SN: Ist das demütigend? Nein. Es wäre nur demütigend, wenn es irgendwann Dissens gegeben hätte. Aber in allem, was ich unternommen habe und was mir zurückgemeldet wurde, hat es den nie gegeben. Ich hatte keinen Job gesucht. Ich hatte nicht vor, eine andere Hochschulleitung als jene in Trossingen anzunehmen. Erst im März wurde ich gefragt, habe mir kurzfristig Gedanken gemacht und erst kurz vor Bewerbungsschluss zugesagt. Ich habe unter der Voraussetzung Ja gesagt, dass jeder Schritt authentisch und klar ist. Und das war es für mich bis zuletzt.
Das Gespräch mit der Findungskommission war konstruktiv. Das Hearing war eine schöne Veranstaltung, da gab es tolle Rückfragen! Ich bin erfreut nach Hause gefahren. Dass die Wahl auf jemand anderen fiel, war kollegial und gut – wie im Sport, wenn man den 2. oder 3. Platz macht. Mir hat das keinen Kratzer verpasst. Dass sich das jetzt noch einmal gewendet hat, entspricht dem intuitiven guten Eindruck vom März. Das soll jetzt offenbar so sein. Darauf werde ich mich einlassen und versuchen, nach besten Möglichkeiten zu gestalten. Ich bin realistisch und pragmatisch und weiß, meine Kräfte einzuschätzen. SN: Was nehmen Sie sich als Rektorin als Erstes vor? Die ersten Vorhaben werden mir auf den Tisch gelegt. So soll ich bis Ende des Jahres einen neuen Strukturund Entwicklungsplan schreiben. Ich werde also meine eigenen Anliegen der Gestaltung hintanstellen und zuerst das erledigen, was mir auf den Tisch gelegt wird. Dafür nehme ich die Geschäftsordnung ernst: Universitätsrat, Senat und Rektorat sind kollegiale Leitungsgremien. Ich möchte eine Arbeitsform finden, dass jeder das Gefühl hat: Ja, wir gehen kollegial miteinander um. Mir ist wichtig, dass man sich darauf verlassen kann. SN: Wann kommen Sie das nächste Mal nach Salzburg? Im August, voraussichtlich in der zweiten Hälfte, da ich hier noch bis 12. August in ein Festival leitend eingebunden bin. Dann komme ich jedenfalls im September und Oktober, bis Jahresende werde ich hinund herpendeln, um hier ein gut bestelltes Haus zu übergeben. Ab 2018 werde ich ganz in Salzburg sein. SN: SN: Werden Sie herübersiedeln? Ja, das habe ich vor. Ihr Vorgänger ist an der Besetzung des Vizerektorats gescheitert. Was tun Sie da? Zuerst möchte ich mich kundig machen, wie man da scheitern kann! Ich möchte die bisherigen Vizerektoren ansprechen; vor denen habe ich großen Respekt, dass sie das Schiff so lang auf Kurs gehalten haben. Dann interessieren mich die Erwartungen des Universitätsrats und Kriterien für Zustimmung oder Ablehnung von Personen und Strukturen. Ich möchte das möglichst auf Sachebene beleuchten.
„Mir hat das keinen Kratzer verpasst.“