Brexit, Lügen und Prosecco
Die schlanke Politsatire „The Party“geht mit der britischen Linken hart ins Gericht.
Mit einer Dinnerparty will Janet (Kristin Scott Thomas) ihre Ernennung zur britischen Gesundheitsministerin im engsten Kreis feiern. Es sind geladen: ihr einsilbiger Mann (Timothy Spall), ihre scharfzüngige beste Freundin (Patricia Clarkson), deren esoterischer Partner (Bruno Ganz), die Genderforscherin Martha (Cherry Jones) und deren schwangere Verlobte (Emily Mortimer), ihre Kampagnenberaterin Marianne, die leider nicht daherkommt, und deren Bankerehemann Tom (Cillian Murphy).
Mit der Satire „The Party“gelingt Sally Potter die Inszenierung eines Abends, der nur in der Katastrophe enden kann. Der Film sei aber nicht nur intellektuelles Vergnügen, sondern auch scharfsinnige Analyse einer ganzen Gesellschaftsschicht, sagen die Hauptdarsteller Kristin Scott Thomas und Timothy Spall. SN: Sie haben diesen Film mit minimalen Mitteln in nur zwei Wochen gedreht. Wie hat das funktioniert? Kristin Scott Thomas: Ja, es war wie auf einem Drahtseil, aber es hat großen Spaß gemacht. Erstens sind die Dialoge clever und präzis und ein Genuss, sie auch nur zu sprechen. Aber es war auch riskant, alles in so kurzer Zeit tun zu müssen und dafür absolutes Vertrauen haben zu müssen. Ich war zu Beginn panisch, es hat sich angefühlt, als müsste ich auf die Bühne, mit nur vier Tagen Probe. Aber wir haben Sally vertraut und bewundern einander alle so, dass wir schließlich gemeinsam ins kalte Wasser gesprungen sind. Timothy Spall: Es hat sich ein fantastischer Korpsgeist entwickelt. Ich hab ja zuerst an einen Scherz geglaubt, als ich die Besetzungsliste gesehen habe, „die erfindet das doch“– Kristin, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, das sind alles höchstklassige Leute, mit denen die Zusammenarbeit pure Freude ist. Alle wussten, dass der Film in zwei Wochen abgedreht sein muss, und allein diese Dringlichkeit und Notwendigkeit hat den Film sehr geprägt. Und das hat der Konzentration aller Beteiligten sehr gutgetan. SN: Während der Dreharbeiten war das Brexit-Referendum. Wie hat die politische Situation die Stimmung beeinflusst? KST: Ja, Brexit war genau in der Mitte. Wir haben im Grunde drei Tage lang getrauert. TS: Es hat sich angefühlt, als hätte sich eine tektonische Platte verschoben. Alles war auf einmal anders, weil dieses Ergebnis eine solche Überraschung war. So viele Leute haben geweint, waren aufgewühlt und schockiert. SN: Der Film fühlt sich an, als hätte er diese Situation vorausgeahnt. TS: Schwer zu sagen. Sally ist eine große Denkerin, und sie schreibt unglaublich präzise und überlegt. „The Party“ist in keiner Weise Agitprop, der Film ist nicht überladen mit irgendeiner politischen Agenda, sondern er handelt von Menschen. Aber das Grundgefühl, speziell wie sie es inszeniert hat, ist genau das: Dieser Film handelt von Intellektuellen aus dem linksliberalen Spektrum, im Grunde ist es eine Studie des Aufruhrs und des Chaos, das sich unter diesen Leuten entwickelt, die mit Vernunft agieren wollen und deren Machtlust und Leidenschaften aber dann zum Vorschein kommen, ihre tierischen Instinkte. Sally hat da wirklich einen wunden Punkt getroffen. In diesem Film können wir in Echtzeit zuschauen, wie die linke Mitte nicht weiß, wo sie sich hinwenden soll. SN: Kristin, welchen Eindruck haben Sie von der Politikerin Janet, die Sie da spielen? KST: Diese Frau ist eine, die bis zum Ende kämpft. Sie hat ein Ziel und einen fast blinden Glauben an das, was sie tut, und das hat mich amüsiert. Und dann ist da der Betrug, das ist immer etwas Fantastisches, ihr Doppelleben – eine Figur spielen, die lügt, das ist immer unglaublich reizvoll. Sie ist eine Frau voller Geheimnisse, die alle eine Katastrophe auslösen könnten, würden sie bekannt. SN: Ist das Lügen-Können Voraussetzung für eine Politikerin? KST: Sie sagt: „Manchmal muss man eben lügen, um etwas durchzusetzen.“Aber Sie fragen, ob jemand lügen lernen muss in der Politik? Ich glaube, Politiker müssen genauso lügen, wie wir alle anderen es auch tun, immer, und davon sprechen wir hier eigentlich. Wir alle sind nur Menschen, da ist nur eine gewisse Menge an Worten und Argumenten auf der Welt, die man nutzen kann, um etwas zu vermitteln. SN: Der Film erzählt, wie in der Krise Instinkt über Vernunft siegt. Ist das ein entmutigender Befund? KST: Ja, was tut der Intellekt, wenn der Instinkt dagegen ankämpft? Werden wir nach Bauchgefühl handeln oder bewahren wir einen kühlen Kopf und agieren kalkuliert und kriegen so unser Happy End? Kino: