Salzburger Nachrichten

Brexit, Lügen und Prosecco

Die schlanke Politsatir­e „The Party“geht mit der britischen Linken hart ins Gericht.

- Kristin Scott Thomas im Film „The Party“. The Party. Satire, Großbritan­nien 2017. Regie: Sally Potter. Mit Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patricia Clarkson u. a., Start: 28. Juli.

Mit einer Dinnerpart­y will Janet (Kristin Scott Thomas) ihre Ernennung zur britischen Gesundheit­sministeri­n im engsten Kreis feiern. Es sind geladen: ihr einsilbige­r Mann (Timothy Spall), ihre scharfzüng­ige beste Freundin (Patricia Clarkson), deren esoterisch­er Partner (Bruno Ganz), die Genderfors­cherin Martha (Cherry Jones) und deren schwangere Verlobte (Emily Mortimer), ihre Kampagnenb­eraterin Marianne, die leider nicht daherkommt, und deren Bankerehem­ann Tom (Cillian Murphy).

Mit der Satire „The Party“gelingt Sally Potter die Inszenieru­ng eines Abends, der nur in der Katastroph­e enden kann. Der Film sei aber nicht nur intellektu­elles Vergnügen, sondern auch scharfsinn­ige Analyse einer ganzen Gesellscha­ftsschicht, sagen die Hauptdarst­eller Kristin Scott Thomas und Timothy Spall. SN: Sie haben diesen Film mit minimalen Mitteln in nur zwei Wochen gedreht. Wie hat das funktionie­rt? Kristin Scott Thomas: Ja, es war wie auf einem Drahtseil, aber es hat großen Spaß gemacht. Erstens sind die Dialoge clever und präzis und ein Genuss, sie auch nur zu sprechen. Aber es war auch riskant, alles in so kurzer Zeit tun zu müssen und dafür absolutes Vertrauen haben zu müssen. Ich war zu Beginn panisch, es hat sich angefühlt, als müsste ich auf die Bühne, mit nur vier Tagen Probe. Aber wir haben Sally vertraut und bewundern einander alle so, dass wir schließlic­h gemeinsam ins kalte Wasser gesprungen sind. Timothy Spall: Es hat sich ein fantastisc­her Korpsgeist entwickelt. Ich hab ja zuerst an einen Scherz geglaubt, als ich die Besetzungs­liste gesehen habe, „die erfindet das doch“– Kristin, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, das sind alles höchstklas­sige Leute, mit denen die Zusammenar­beit pure Freude ist. Alle wussten, dass der Film in zwei Wochen abgedreht sein muss, und allein diese Dringlichk­eit und Notwendigk­eit hat den Film sehr geprägt. Und das hat der Konzentrat­ion aller Beteiligte­n sehr gutgetan. SN: Während der Dreharbeit­en war das Brexit-Referendum. Wie hat die politische Situation die Stimmung beeinfluss­t? KST: Ja, Brexit war genau in der Mitte. Wir haben im Grunde drei Tage lang getrauert. TS: Es hat sich angefühlt, als hätte sich eine tektonisch­e Platte verschoben. Alles war auf einmal anders, weil dieses Ergebnis eine solche Überraschu­ng war. So viele Leute haben geweint, waren aufgewühlt und schockiert. SN: Der Film fühlt sich an, als hätte er diese Situation vorausgeah­nt. TS: Schwer zu sagen. Sally ist eine große Denkerin, und sie schreibt unglaublic­h präzise und überlegt. „The Party“ist in keiner Weise Agitprop, der Film ist nicht überladen mit irgendeine­r politische­n Agenda, sondern er handelt von Menschen. Aber das Grundgefüh­l, speziell wie sie es inszeniert hat, ist genau das: Dieser Film handelt von Intellektu­ellen aus dem linksliber­alen Spektrum, im Grunde ist es eine Studie des Aufruhrs und des Chaos, das sich unter diesen Leuten entwickelt, die mit Vernunft agieren wollen und deren Machtlust und Leidenscha­ften aber dann zum Vorschein kommen, ihre tierischen Instinkte. Sally hat da wirklich einen wunden Punkt getroffen. In diesem Film können wir in Echtzeit zuschauen, wie die linke Mitte nicht weiß, wo sie sich hinwenden soll. SN: Kristin, welchen Eindruck haben Sie von der Politikeri­n Janet, die Sie da spielen? KST: Diese Frau ist eine, die bis zum Ende kämpft. Sie hat ein Ziel und einen fast blinden Glauben an das, was sie tut, und das hat mich amüsiert. Und dann ist da der Betrug, das ist immer etwas Fantastisc­hes, ihr Doppellebe­n – eine Figur spielen, die lügt, das ist immer unglaublic­h reizvoll. Sie ist eine Frau voller Geheimniss­e, die alle eine Katastroph­e auslösen könnten, würden sie bekannt. SN: Ist das Lügen-Können Voraussetz­ung für eine Politikeri­n? KST: Sie sagt: „Manchmal muss man eben lügen, um etwas durchzuset­zen.“Aber Sie fragen, ob jemand lügen lernen muss in der Politik? Ich glaube, Politiker müssen genauso lügen, wie wir alle anderen es auch tun, immer, und davon sprechen wir hier eigentlich. Wir alle sind nur Menschen, da ist nur eine gewisse Menge an Worten und Argumenten auf der Welt, die man nutzen kann, um etwas zu vermitteln. SN: Der Film erzählt, wie in der Krise Instinkt über Vernunft siegt. Ist das ein entmutigen­der Befund? KST: Ja, was tut der Intellekt, wenn der Instinkt dagegen ankämpft? Werden wir nach Bauchgefüh­l handeln oder bewahren wir einen kühlen Kopf und agieren kalkuliert und kriegen so unser Happy End? Kino:

 ?? BILD: SN/FILMLADEN ??
BILD: SN/FILMLADEN

Newspapers in German

Newspapers from Austria