Senioren sitzen an Fassaden
Auch im 20. Jahr will das Grazer Straßentheaterfestival „La Strada“irritieren.
Moment, ist das eine Puppe? Nein, die Frau bewegt sich und isst einen Apfel. Hoch oben auf einem Stuhl, der auf einer Hausfassade befestigt ist. Kein Job für Menschen mit Höhenangst. „x-mal Mensch Stuhl“nennt die deutsche Performanceund Installationskünstlerin Angie Hiesl ihr Programm, mit dem sie heuer beim Grazer Straßenkunstund Figurentheaterfestival „La Strada“zu Gast sein wird.
Bei einem Rundgang durch die Grazer Innenstadt wird das Publikum mehrere Menschen im Alter zwischen sechzig und über siebzig Jahren auf Häuserwänden sehen. Strickend, Zeitung lesend, Gemüse schneidend und noch einiges mehr. „x-mal Mensch Stuhl“, eine „Aktions-Installation“und „FassadenInszenierung“, rückt das Thema des Alterns im urbanen Umfeld auf ruhige und doch eindringliche Weise in das öffentliche Bewusstsein.
„La Strada“: Vor zwanzig Jahren wurde die Veranstaltung zur Überbrückung des kulturellen Sommerlochs gegründet, mittlerweile ist man ein „big player“im Grazer Festivalgeschehen. „Wir wollen mehr als bloß unterhalten. ,La Strada‘ will unauslöschliche Spuren in der Stadt und in den Menschen hinterlassen“, sagt Werner Schrempf, der Intendant des Festivals, dessen Entwicklung auch die Veränderung im Genre Straßenkunst spiegelt. Viele Künstler thematisieren in ihren Projekten Probleme der Zeit, Themen wie Migration, Globalisierung, Konsum, Verkehr oder Urbanismus werden in Performances, Happenings oder Theateraufführungen im öffentlichen Raum behandelt. Wichtig sei , sagt Schrempf, auch der niederschwellige Zugang bei der Idee, die Stadt als Kulturraum zu nutzen: Bei rund 80 Prozent der insgesamt 140 Vorstellungen in Graz, Leibnitz, Weiz und Stainz gibt es freien Eintritt.
Bespielt werden im Jubiläumsjahr zwei Dutzend Orte, neben Grazer Straßen, Plätzen und Parks auch das Opernhaus und das Joanneumsviertel bis zum Naherholungsgebiet Auwiesen an der Mur. Eröffnet wird am kommenden Freitag mit einer Produktion aus der Abteilung „Neuer Zirkus“: Machine de Cirque aus Kanada entführen mit ihrem gleichnamigen Stück in eine Zeit nach der Apokalypse: Überlebensstrategien eines erfinderischen Quintetts, das sich nicht unterkriegen lässt.
Unter dem Titel „Stadtgeflüster“gibt es diesmal eine Kooperation mit den Grazer Fremdenführern. Die „GrazGuides“wandeln auf den Spuren bisheriger „La Strada“-Historie und erzählen auf Um- und Schleichwegen neue Geschichten aus der Stadt. Ebenfalls einen Stadtspaziergang offeriert das österreichisch-katalanische Künstlerkollektiv „Electrico 28“, das bei Stefan Zweig Anleihe nimmt. „Sternstunde der Menschheit“setzt sich zum Ziel, bislang unbekannte Sternstunden im Alltag aufzuspüren. „Electrico 28“geht es bei dieser Kopfhörertour um die Möglichkeiten kollektiver Geschichtsschreibung von unten.
Der französische Audiokünstler Michel Risse wiederum wird den Vorplatz des Palais Meran – dem Sitz der Kunstuniversität Graz – mit 16 Klangskulpturen akustisch erlebbar machen: „The Kaleidophones“. Den Schlusspunkt setzt am 5. August die französische Compagnie Ilotopie, die in Mur-Nähe nächtens mit „Fous de Bassin“riesige Figuren schweben lassen wird: Das Wasser wird zur Bühne. Festival: