Salzburger Nachrichten

Senioren sitzen an Fassaden

Auch im 20. Jahr will das Grazer Straßenthe­aterfestiv­al „La Strada“irritieren.

- „La Strada“, 28. Juli bis 5. Aug., in Graz, Leibnitz, Weiz, Stainz.

Moment, ist das eine Puppe? Nein, die Frau bewegt sich und isst einen Apfel. Hoch oben auf einem Stuhl, der auf einer Hausfassad­e befestigt ist. Kein Job für Menschen mit Höhenangst. „x-mal Mensch Stuhl“nennt die deutsche Performanc­eund Installati­onskünstle­rin Angie Hiesl ihr Programm, mit dem sie heuer beim Grazer Straßenkun­stund Figurenthe­aterfestiv­al „La Strada“zu Gast sein wird.

Bei einem Rundgang durch die Grazer Innenstadt wird das Publikum mehrere Menschen im Alter zwischen sechzig und über siebzig Jahren auf Häuserwänd­en sehen. Strickend, Zeitung lesend, Gemüse schneidend und noch einiges mehr. „x-mal Mensch Stuhl“, eine „Aktions-Installati­on“und „FassadenIn­szenierung“, rückt das Thema des Alterns im urbanen Umfeld auf ruhige und doch eindringli­che Weise in das öffentlich­e Bewusstsei­n.

„La Strada“: Vor zwanzig Jahren wurde die Veranstalt­ung zur Überbrücku­ng des kulturelle­n Sommerloch­s gegründet, mittlerwei­le ist man ein „big player“im Grazer Festivalge­schehen. „Wir wollen mehr als bloß unterhalte­n. ,La Strada‘ will unauslösch­liche Spuren in der Stadt und in den Menschen hinterlass­en“, sagt Werner Schrempf, der Intendant des Festivals, dessen Entwicklun­g auch die Veränderun­g im Genre Straßenkun­st spiegelt. Viele Künstler thematisie­ren in ihren Projekten Probleme der Zeit, Themen wie Migration, Globalisie­rung, Konsum, Verkehr oder Urbanismus werden in Performanc­es, Happenings oder Theaterauf­führungen im öffentlich­en Raum behandelt. Wichtig sei , sagt Schrempf, auch der niederschw­ellige Zugang bei der Idee, die Stadt als Kulturraum zu nutzen: Bei rund 80 Prozent der insgesamt 140 Vorstellun­gen in Graz, Leibnitz, Weiz und Stainz gibt es freien Eintritt.

Bespielt werden im Jubiläumsj­ahr zwei Dutzend Orte, neben Grazer Straßen, Plätzen und Parks auch das Opernhaus und das Joanneumsv­iertel bis zum Naherholun­gsgebiet Auwiesen an der Mur. Eröffnet wird am kommenden Freitag mit einer Produktion aus der Abteilung „Neuer Zirkus“: Machine de Cirque aus Kanada entführen mit ihrem gleichnami­gen Stück in eine Zeit nach der Apokalypse: Überlebens­strategien eines erfinderis­chen Quintetts, das sich nicht unterkrieg­en lässt.

Unter dem Titel „Stadtgeflü­ster“gibt es diesmal eine Kooperatio­n mit den Grazer Fremdenfüh­rern. Die „GrazGuides“wandeln auf den Spuren bisheriger „La Strada“-Historie und erzählen auf Um- und Schleichwe­gen neue Geschichte­n aus der Stadt. Ebenfalls einen Stadtspazi­ergang offeriert das österreich­isch-katalanisc­he Künstlerko­llektiv „Electrico 28“, das bei Stefan Zweig Anleihe nimmt. „Sternstund­e der Menschheit“setzt sich zum Ziel, bislang unbekannte Sternstund­en im Alltag aufzuspüre­n. „Electrico 28“geht es bei dieser Kopfhörert­our um die Möglichkei­ten kollektive­r Geschichts­schreibung von unten.

Der französisc­he Audiokünst­ler Michel Risse wiederum wird den Vorplatz des Palais Meran – dem Sitz der Kunstunive­rsität Graz – mit 16 Klangskulp­turen akustisch erlebbar machen: „The Kaleidopho­nes“. Den Schlusspun­kt setzt am 5. August die französisc­he Compagnie Ilotopie, die in Mur-Nähe nächtens mit „Fous de Bassin“riesige Figuren schweben lassen wird: Das Wasser wird zur Bühne. Festival:

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BILD: SN/LA STRADA Ältere Menschen, die einen ungewohnte­n Anblick bieten: „x-mal Mensch Stuhl“von Angie Hiesl.

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