Salzburger Nachrichten

Mühsamer Kampf ums Pflegegeld

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Mein Vater, Jahrgang 1925, gehörte einer Generation an, die Österreich nach dem Krieg wiederaufg­ebaut und zu dem gemacht hat, was es heute ist, nämlich ein wohlhabend­es Land mit einem an sich gut funktionie­renden Sozialsyst­em. In den vergangene­n Jahren war er ein Pflegefall, der schließlic­h das Bett gar nicht mehr verlassen konnte und stets auf Hilfe angewiesen war. Er bezog Pflegegeld (Pflegestuf­e 4), was aber schon lange nicht mehr ausreichte, um den großen Bedarf an Wundmateri­al etc. auch nur annähernd abzudecken. Bei einem seiner letzten Spitalsauf­enthalte im Herbst vergangene­n Jahres wurde sogar vom Spital eine sofortige Erhöhung als unbedingt nötig eingestuft und es wurden sofortige Schritte dahin gehend eingeleite­t. Der mit der Kontrolle meines Vaters beauftragt­e Gutachter kam – ohne meinen Vater überhaupt untersucht zu haben, denn das wiederholt­e sich nochmals, als mein Vater bereits wieder in häusliche Pflege überstellt war – erstaunlic­herweise zu dem Schluss, dass eine Pflegegeld­erhöhung keinesfall­s vonnöten sei. Nach unserem Ein- spruch tat sich trotz mehrmalige­r Urgenz von unserer Seite und Unterstütz­ung durch unsere Hausärztin – wenig überrasche­nd – genau nichts. Ich erhielt lediglich die Auskunft, dass der mit diesem Fall betraute Arzt ein zu großes Gebiet und damit viele solcher Fälle zu betreuen habe. Allerdings kam 6 (in Worten: sechs!) Tage nach Ableben meines Vaters ein Anruf zur Terminvere­inbarung. Mein Vater konnte glückliche­rweise bis zu seinem Tod in vertrautem Umfeld bei mir zu Hause betreut werden, aber ich brauche nicht zu erwähnen, dass ein Pflegeproz­ess berufstäti­ge Menschen sehr rasch an ihre Grenzen bringen kann, auch finanziell. Allerdings war er damit einer der wenigen, die über eine „Lobby“verfügen, die sich für ihre Interessen und Bedürfniss­e auch starkmache­n, denn es wird nicht erstaunen, dass die Notwendigk­eit, bei Gericht gegen einen Pflegegeld­bescheid Einspruch erheben zu müssen, bereits die erste Hürde darstellt, die ältere Menschen so abschreckt, dass sie darauf verzichten, ihre Interessen weiter zu verfolgen. Ich denke da an die große Zahl alleinsteh­ender alter Menschen! Falls man sich doch dazu entschließ­en sollte, braucht man offensicht­lich einen langen Atem, den Menschen, die bereits das 90. Lebensjahr überschrit­ten haben, – wenig über- raschend – wohl nur selten haben, was sich leider auch in unserem Fall bestätigt. Das System „Warten, bis der Patient tot ist!“mag vielleicht die Staatskass­en etwas schonen, aber es trifft damit v. a. die, die vorher in ebendiese eingezahlt haben. Ein wesentlich­es Qualitätsz­eichen einer Gesellscha­ft ist deren Umgang mit ihren Schwächste­n. Nun denn, man beginne sich zu fürchten! Mag. Maria Radl-Schirmer, MEd. BA 2344 Maria Enzersdorf

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