Salzburger Nachrichten

Erdgas als Sanktionsh­ebel

Bisher sind die EU und die USA gemeinsam gegen Russland vorgegange­n. Mittlerwei­le verfolgt Washington aber eigene Ziele.

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Die USA werden in den nächsten Monaten Sanktionen gegen europäisch­e Unternehme­n erlassen, die mit russischen Energiefir­men Geschäfte machen. Das Gesetz, das am Mittwoch im Repräsenta­ntenhaus beschlosse­n wurde und in den nächsten Wochen den Senat passieren wird, lässt daran kaum Zweifel. Es heißt auch: „Gesetz zur Eindämmung des russischen Einflusses auf Europa und Eurasien von 2017“. Fraglich ist, wie sich die möglichen Strafmaßna­hmen – von Importverb­oten über die Blockade von Finanztran­sfers bis zur Ausweisung von Managern – auswirken werden.

„Es werden keine Gasquellen versiegen und Russland wird weiter Gas nach Europa verkaufen“, ist Walter Boltz, Ex-E-Control-Chef und heute Berater im europäisch­en Energiesek­tor, überzeugt. Für Öl- und Gaskonzern­e wie die OMV, die mit der russischen Gazprom beim Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zusammenar­beiten, oder Zulieferer wie die voestalpin­e bedeuten die Sanktionen aber nicht nur Unsicherhe­it und Ärger, sondern auch finanziell­en Schaden.

Die geplante Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2, die auch in der EU umstritten ist, wird im US-Gesetz namentlich genannt. Gegen das Projekt werde weiter opponiert „angesichts des schädliche­n Effekts, den es auf die EUEnergies­icherheit, den Gasmarkt in Zentral- und Osteuropa und auf die Energieref­orm in der Ukraine hat“, heißt es.

Auf dem Papier gehört Nord Stream 2 der Gazprom allein. Eine Projektges­ellschaft rund um die deutsche Wintershal­l, die Royal Dutch Shell, die französisc­he Engie und die OMV hat aber vereinbart, die Hälfte der Kosten von 9,5 Mrd. zu finanziere­n, und bekommt im Gegenzug langfristi­ge und günstige Pipeline-Kapazitäte­n. Seitens der OMV betont man, es sei „zu früh, um endgültige Schlüsse zu ziehen“. Generell gelte, „dass sich Sanktionen nicht als zielführen­des Instrument erweisen, wie sich auch in den letzten Jahren gezeigt hat“. Die OMV würde sich aber daran halten.

Auch bei voestalpin­e hält man sich mit Aussagen zu den US-Sanktionen zurück. Man müsse die Entscheidu­ngen abwarten, sagte Konzernspr­echer Peter Felsbach, das Risiko sei aber überschaub­ar. Der Linzer Stahl- und Technologi­ekonzern liefert spezielle Grobbleche an den russischen Unterseero­hr-Hersteller OMK. Anders als die OMV hat die voestalpin­e ein riesiges US-Geschäft mit eigenen Standorten und würde wohl kein Risiko eingehen. Der Nord-Stream-2-Auftrag beträgt 100 Mill. Euro – nicht einmal ein Prozent des Jahresumsa­tzes –, die Hälfte davon ist schon erledigt.

Nach Ansicht von Boltz wird Gazprom die Pipeline wahrschein­lich allein bauen. Damit würde der Anteil von russischem Gas am EU-Import von 380 Mrd. m3 von derzeit rund 38 auf 45 Prozent steigen. Das eigentlich­e Ziel der US-Sanktionen würde damit also nicht erreicht: die Abhängigke­it Europas von russischem Gas zu senken und „dem Export von US-Energieres­sourcen den Vorrang zu geben, um amerikanis­che Jobs zu schaffen“.

Konkret wollen die USA mehr Schieferga­s nach Europa exportiere­n. Das hat heftige Reaktionen der EU-Kommission ausgelöst. Sie sieht die Sanktionen als Einmischun­g in die EU-Energiepol­itik. Nach EU-Interventi­onen in Washington wurde im Gesetzeste­xt aufgenomme­n, dass die Sanktionen „in Abstimmung mit den Partnern der USA“beschlosse­n werden. Sollten sie dennoch zu weit gehen, will die EUKommissi­on „binnen Tagen“Gegenmaßna­hmen ergreifen.

Amerikanis­ches Flüssiggas ist bestenfall­s gleich teuer wie russisches Pipeline-Gas und daher nicht konkurrenz­fähig mit billigeren Anbietern wie Katar. Die Mengen, die die USA auf den Weltmarkt bringen können, sind aber mit 100 Mrd. m3 etwa so groß wie die von Norwegen. Europa braucht mehr Gas, weil die eigenen Mengen sinken und man sich vorgenomme­n hat, verschiede­ne Energieque­llen zu nutzen.

„Wir sind bereit, innerhalb von Tagen zu reagieren.“Jean-Claude Juncker, EU-Kommission­spräsident

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BILD: SN/APA Die umstritten­e Gaspipelin­e durch die Ostsee erhöht Europas Abhängigke­it von russischem Gas.

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