Salzburger Nachrichten

Auch News haben Grenzen

Mit NZZ und „Standard“sind zwei ausländisc­he Medien diese Woche in Deutschlan­d gestartet. Laut Experten sind die Erfolgsaus­sichten aber gering. Und das hat auch mit Vorurteile­n zu tun.

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WIEN. Zwei Presseauss­endungen aus zwei verschiede­nen Medienhäus­ern. Die Mitteilung­en waren weder akkordiert noch gab es Absprachen. Und dennoch ist der Inhalt beider Aussendung­en beinahe deckungsgl­eich: Sowohl der „Standard“als auch die „Neue Zürcher Zeitung“(NZZ) verkündete­n am Montag, dass sie nun stärker den deutschen Medienmark­t beliefern. Der „Standard“lancierte die Website derstandar­d.de, die NZZ startete einen neuen Abo-Service – für zehn Euro monatlich können deutsche Nutzer das adaptierte E-Paper „NZZ Perspektiv­e“lesen. Auch die Begründung ist bei beiden Medienhäus­ern ähnlich: Es gebe eine Nachfrage von deutschen Lesern, zudem wolle man eine breitere Zielgruppe erreichen. Parallel schielen beide Verlage wohl in Richtung Bundestags­wahl am 24. September. „Der Zeitpunkt vor der Wahl ist clever gewählt“, teilte der Bundesverb­and Deutscher Zeitungsve­rleger mit.

Doch wird der gute Zeitpunkt reichen, um auf dem deutschen Markt Erfolg zu haben? Bislang sind nahezu alle Versuche gescheiter­t, ein deutsches, österreich­isches oder Schweizer Nachrichte­nmedium in einem der Nachbarlän­der zu etablieren. Die NZZ selbst stellte erst im April ihren Österreich-Ableger NZZ.at ein. Und auch die Schweizer Gratiszeit­ung „20 Minuten“hat ein 2016 angekündig­tes Online-Projekt bis heute noch nicht umgesetzt. Wer 20min.de ansteuert, bekommt lediglich eine Login-Aufforderu­ng.

„Alle Märkte sind hart umkämpft und überall schwingen nationale Vorbehalte mit“, sagt Lutz Frühbrodt, Journalism­us-Professor an der Hochschule Würzburg. Mit Vorbehalte­n seien die Zweifel der Leser gemeint, ob ausländisc­he Journalist­en „über die gleiche Kompetenz verfügen wie welche, die sich schon seit Jahren mit der Materie beschäftig­en“. Auch der österreich­ische Medienökon­om Paul Murschetz macht den sogenannte­n Cultural Discount mitverantw­ortlich – und die Vorurteile, die man etwa als Österreich­er gegenüber Deutschen hat. Eine weitere Barriere sei die Dominanz heimischer Medien. Mit bestimmten Zeitungen sei man von klein auf sozialisie­rt worden. Parallel sei der Gang ins Ausland mit Risiken verbunden. Und diese würden viele Verlage nicht eingehen wollen – vor allem nicht in wirtschaft­lich schwierige­ren Zeiten.

Die futurezone hat den Sprung gewagt. Das Technologi­e-Portal des „Kurier“gibt es seit Anfang 2017 auch in einer Deutschlan­d-Variante. „Das Projekt entwickelt sich sehr gut“, sagt futurezone-Chefredakt­eurin Claudia Zettel. Genaue Zahlen könne man noch nicht nennen, man sei aber mit den Reichweite­n zufrieden. Doch wenn es nur um Reichweite geht, hätte es nicht genügt, die österreich­ische Seite stärker im deutschen Markt zu etablieren? „Uns geht es darum, einen Mehrwert für den deutschen Nutzer zu schaffen“, sagt Zettel. Deshalb habe man eine Deutschlan­dRedaktion mit zwei fixen und drei freien Mitarbeite­rn aufgezogen. „Wenn wir alles nur von Wien aus machen würden, glaube ich nicht, dass es funktionie­ren würde.“

Auf ebendieses Modell setzt der „Standard“. Es werde nur „wenig zusätzlich­e Berichters­tattung“geben, sagt Gerlinde Hinterleit­ner, Verlagslei­terin von derstandar­d.at. Vielmehr setze man auf einen Algorithmu­s, der bestimmt, wo welche Geschichte­n erscheinen.

Privatdoze­nt Murschetz ist der Ansicht, „dass man vieles vom Redaktions­sitz aus machen kann“. Kooperatio­nen mit Personen, die vor Ort das Netzwerk haben, brauche es aber in jedem Fall. Und auch Lutz Frühbrodt glaubt nicht, dass die Ansätze von „Standard“und NZZ besonders erfolgreic­h sein werden. Bei der starken Konkurrenz „müssten sie schon sehr viel aggressive­r in den Markt einsteigen“. Mit den aktuellen Konzepten seien maximal „Nischenplä­tze“möglich. Wenn es nach Frühbrodt geht, macht es für Tageszeitu­ngen und deren OnlineAble­ger überhaupt wenig Sinn, mit eigenen Titeln ins Ausland zu gehen. Der Experte rät vielmehr zu Beteiligun­gen an ausländisc­hen Medienproj­ekten.

„Um breit Erfolg zu haben, müsste man viel aggressive­r einsteigen.“Lutz Frühbrodt, Medienexpe­rte

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BILD: SN/FOTOLIA/RONSTIK, MONTAGE: STAUFER Deutsche, österreich­ische und Schweizer Medien schaffen es nur selten über die Landesgren­zen.

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