Der Mindestlohn, ein Milliardenspiel
Der kollektivvertragliche Mindestlohn steigt bis 2020 auf 1500 Euro. Mehrere Parteien fordern allerdings deutlich mehr.
WIEN. Im Wahljahr kommt Bewegung in das Thema Mindestlohn. Vor dem Sommer hatten sich die Sozialpartner auf eine Erhöhung des kollektivvertraglichen Mindestlohns bis Anfang 2020 auf 1500 Euro brutto geeinigt. Einigen Parteien ist das aber nicht genug.
Die Grünen fordern eine stärkere politische Verantwortung für Mindestlöhne und setzen damit auf einen gesetzlichen Mindestlohn in der Höhe von 1750 Euro. Die Freiheitlichen drängen – so wie die Gewerkschaft – auf 1700 Euro brutto. Die SPÖ nahm mit den sieben Koalitionsbedingungen auch den steuerfreien 1500-Euro-Mindestlohn in ihr Wahlprogramm auf. Die KPÖ fordert in ihrem Wahlprogramm 1750 Euro Mindestlohn bei einer 30-Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich. Und die ÖVP-Frauen pochen auf 1600 Euro.
Rolf Gleißner, stellvertretender Leiter der Abteilung Sozialpolitik der Wirtschaftskammer, kann mit dem vereinbarten Mindestlohn von 1500 Euro leben. Der Übergangszeitraum bis 2020 stelle sicher, dass die betroffenen Branchen nicht überfordert würden. Derzeit sei etwa in der Taxibranche, bei Friseuren oder Kinos der Mindestlohn noch deutlich niedriger. Eine weitere Erhöhung, wie sie manche Parteien nun fordern, „würde die Wirtschaft strangulieren“, warnt der Experte.
Österreich werde mit den 1500 Euro Mindestlohn ohnedies europaweit an zweiter Stelle hinter Luxemburg liegen, in Deutschland gebe es zwar einen Mindestlohn von rund 1500 Euro – allerdings nur zwölf Mal im Jahr.
Laut einer Wifo-Studie wird die Einführung der unteren Einkommensschwelle von 1500 Euro 291.000 Personen betreffen und einen durchschnittlichen Anstieg des Stundenlohns um 1,26 Euro bedeuten. Die Unternehmer hätten demnach mit Mehrkosten von 913 Mill. Euro zu rechnen. Ein Mindestlohn von 1700 Euro würde laut Wifo dagegen 548.000 Personen betreffen, die Unternehmer würde eine 1700-Euro-Einkommensschwelle mit 1,772 Mrd. Euro auch fast das Doppelte kosten.
Für Wirtschaftskammer-Experten Gleißner würde ein Mindestlohn von 1700 Euro vor allem ertragsschwache Branchen massiv treffen, Arbeitsplätze vernichten und Ausweichverhalten auslösen: Weniger Leute würden beschäftigt, die Unternehmer würden verstärkt auf Automatisierung setzen, warnt Gleißner. Und in Branchen, in denen das möglich ist, würden Unternehmen als Reaktion auf einen noch einmal deutlich höheren Min- destlohn über die Grenze wechseln. Gleißner: „Es ist eine simple Rechnung: Wenn mir ein Job als Unternehmer nicht das bringt, was er mich kostet, wäre ich ein schlechter Unternehmer, wenn ich ihn weiter aufrechterhalte.“Erfahrungen aus Frankreich und Griechenland hätten gezeigt, dass ein zu hoher Mindestlohn vor allem Unqualifizierten und Jugendlichen am Arbeitsmarkt schade.
Von einer gesetzlichen Regelung hält der Experte nichts. In Österreich seien ohnedies fast 99 Prozent der Arbeitnehmer von kollektivvertraglich geregelten Mindestlöhnen erfasst, sagt er. Kollektivverträge würden zudem nicht nur das unterste Ende regeln, sondern auch höhere Mindestlöhne für qualifiziertere Tätigkeiten vorsehen.