Salzburger Nachrichten

Justiz zeigt sich über Enthaftung verwundert

Peter Seisenbach­er ist in der Ukraine wieder auf freiem Fuß. Haben die Behörden geschlampt oder ist das Sexualdeli­kt bereits verjährt?

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Die Entlassung des zweifachen Judo-Olympiasie­gers Peter Seisenbach­er am Freitag in Kiew aus der Auslieferu­ngshaft sorgt in Österreich für Erstaunen. Seisenbach­er hatte sich zuvor einem Strafverfa­hren wegen sexuellen Missbrauch­s von Unmündigen in Wien durch Flucht entzogen. „Wir haben aus den Medien erfahren, dass Seisenbach­er auf freiem Fuß ist“, sagte Britta Tichy-Martin, Sprecherin des Justizmini­steriums, im ORF-Radio. „Die Enthaftung hat die österreich­ische Justiz überrascht. Aus welchen Gründen Herr Seisenbach­er enthaftet wurde, entzieht sich derzeit noch unserer Kenntnis.“

Seisenbach­er habe seinen Reisepass abgeben müssen, eine Kaution habe er nicht bezahlt, erklärte sein Grazer Anwalt Bernhard Lehofer. „Aus meiner Sicht ist das in keiner Weise eigenartig“, so der Verteidige­r. Seisenbach­er – für den die Unschuldsv­ermutung gilt – stehe dem Gericht auch weiter zur Verfügung. Dass die österreich­ischen Behörden eine Frist versäumt oder Dokumente nicht rechtzeiti­g geliefert haben, schließt Justizspre­cherin TichyMarti­n aus. „Wir haben, sofort nachdem die Verhaftung bekannt wurde, um Auslieferu­ng ersucht. Von unserer Seite sind alle notwendige­n Unterlagen und das entspreche­nde Ersuchen in der Ukraine eingelangt.“

Inoffiziel­len Quellen zufolge soll Seisenbach­er aber deshalb auf freien Fuß gesetzt worden sein, weil das in Österreich angeklagte Delikt – schwerer Missbrauch Minderjähr­iger – in der Ukraine bereits als verjährt gilt. Im Justizmini­sterium kann man das noch nicht bestätigen, sagte TichyMarti­n. „Uns liegt noch keine Informatio­n vor“, so die Sprecherin. Man warte noch auf eine Begründung der ukrainisch­en Behörden.

Sollte das Delikt in der Ukraine tatsächlic­h als verjährt gelten, dürfte die Chance auf Auslieferu­ng eher gering sein. „Diese Entscheidu­ng, ob die Auslieferu­ng zulässig ist oder nicht, ist aus unserer Sicht noch nicht getroffen bzw. haben wir keine Informatio­n darüber erhalten. Wir können nur abwarten“, so Tichy-Martin.

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere soll Seisenbach­er als Trainer in seinem Wiener JudoVerein – so die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft – zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitrau­m jeweils unmündige Mädchen missbrauch­t haben.

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BILD: SN/APA Peter Seisenbach­er

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