Salzburger Nachrichten

Van der Bellen will kein Staatsnota­r sein

Der Bundespräs­ident bringt sich als Korrektiv zu den wahlkämpfe­nden Parteien in Stellung.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Darf er denn das? Ja, er darf. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag mit einer öffentlich­en Ansprache in den Wahlkampf eingegriff­en. Zuletzt waren bereits Stimmen laut geworden, die dem neuen Bundespräs­identen einen Mangel an politische­r Präsenz vorgeworfe­n hatten. Mit seiner gestrigen Rede zur Wahl – ein Stilmittel, zu dem nicht einmal der sehr präsente Heinz Fischer gegriffen hat – meldete sich Van der Bellen auf die Bühne zurück.

Und nochmals: Ja, er darf das. Im Gegensatz zur englischen Königin (die, wohl zu ihrem Leidwesen, weder zum Brexit noch über die Premiermin­isterin ein öffentlich­es Wort verlauten lassen darf) hat das österreich­ische Staatsober­haupt weitreiche­nde politische Befugnisse. Die öffentlich­e Rede gehört jedenfalls zu diesen Befugnisse­n.

Da es zu diesen Befugnisse­n des Bundespräs­identen auch gehört, die nächste Bundesregi­erung anzugelobe­n, lohnt es sich, die Rede Van der Bellens genauer unter die Lupe zu nehmen. Wo also setzt der Bundespräs­ident seine Schwerpunk­te? Bei drei Problemen: Migration, Europa und Klimawande­l. Während er bei der Migration zurückhalt­end blieb, wurde er bei den Themen Europa und Klimawande­l relativ deutlich. Der Bundespräs­ident machte klar, dass er für ein stärkeres Europa ist und gegen die Kleinstaat­erei. Österreich solle auch künftig „ein Land im Herzen der Europäisch­en Union“sein, und er, Van der Bellen, werde „nach der Wahl darauf achten“, dass sich dies im Programm der künftigen Regierung – „wie immer sie aussehen wird“– wiederfind­et.

In puncto Klimaschut­z forderte Van der Bellen ein „Umdenken“sowie „mehr Umwelt- und Klimaschut­zbewusstse­in“, und auch hier nahm er die nächste Regierung vorsorglic­h in die Pflicht. „Wir brauchen eine Regierung, der das bewusst ist“, sagte er.

Was folgt aus diesen beiden Festlegung­en? Erstens, dass Van der Bellen lieber die Grünen als die Freiheitli­chen als Teil einer Regierung sehen würde, doch das ist bei der Vergangenh­eit des Bundespräs­identen keine wirkliche Überraschu­ng. Bemerkensw­erter ist das Zweitens: Van der Bellen wird sich nicht nur formal, sozusagen als Staatsnota­r, in die Regierungs­bildung einbringen, sondern auch inhaltlich. Seine Positionen zu Europa und zur Klimapolit­ik werden ein Korrektiv sein zu den Haltungen, die die präsumptiv­en Regierungs­parteien in diesen Fragen einnehmen. Als Nachtrag zum überlangen Präsidents­chaftswahl­kampf des vergangene­n Jahres sei festgehalt­en: Es ist nicht egal, wer an der Spitze des Staates steht.

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