Und Gott sah, dass es gut war
Die Schöpfungsgeschichte ist das eine, aber am sechsten Tag kam auch noch der Mensch dazu.
WIEN. Eine halbe Stunde lang belichtete er, dann hatte der englische Fotokünstler Darren Almond das gewaltige Bergmassiv in Patagonien so auf dem Negativ, wie er es haben wollte. Da nahm er auch in Kauf, dass das fließende Gewässer nun wie Nebel wirkte, dafür hatte der Vollmond die Szenerie ausgeleuchtet. In Kunstlicht getaucht ist dagegen der Erzberg in der Steiermark, den der österreichische Fotograf Mathias Kessler in Szene setzte. Das kolossale Foto des seit dem 11. Jahrhundert bearbeiteten Bergs wirkt wie ein Gemälde eines romantischen Naturmalers. Auch ein weiteres Motiv, das in der neuen Ausstellung im Wiener Kunsthaus zu sehen ist, zeigt den Hang Mathias Kesslers zu dramatischen Effekten: Er strahlte einen Eisberg in Grönland so mit 200.000 Watt an, dass alles andere außer dem weißen Zacken im Dunkel verschwindet. Das Kunsthaus hat sich heuer dem Thema Natur verschrieben, nach der fabelhaften Ausstellung von Edward Burtynsky, der sich auf das Wasser in allen Ausdrucksformen konzentrierte, sind nun insgesamt 25 Positionen versammelt, österreichische und internationale Fotokünstler, die ihre Visionen von Natur zum Ausdruck bringen.
Ja, die Natur, wir dürfen in ihr leben und sie muss mit uns leben. Bei den meisten Menschen hat sich das Verhältnis zur Natur geändert, seit das Bewusstsein um die Bedrohung gestiegen ist. Sieht man eine Eisscholle, denkt man schon fast automatisch an die Bedrohung des Lebensraums von Eisbären, auch wenn gar keiner auf dem Bild ist. Andererseits ist gerade in diesen Tagen zum Thema geworden, wie sehr umgekehrt auch die Natur als Bedrohung wahrgenommen werden kann oder gar real ist. Sei es ein Hurrikan, der die Welt und natürlich die Betroffenen in Atem hält, sei es ein Erdrutsch, der in der Schweiz mehrere Menschenleben kostete, und Österreich kann ohnehin auf eine Anzahl von Naturkatastrophen zurückblicken.
Der Geologe und Chemiker Paul Crutzen hat 2002 einen neuen Begriff eingeführt, Anthropozän, im Hinblick darauf, dass dieses Zeitalter des Menschen, dessen Eingriffe und Veränderungen auf der Welt künftig in geologischen Schichten nachweisbar sein wird. Beim steirischen Erzberg des Mathias Kessler ist des Menschen Wirken ohnehin sichtbar. Beim Klima ist es schon schwerer für manche Leute, den Einfluss des Menschen zu begreifen. Und wenn auf einem Video, das der Künstler Ralo Mayer bei seiner multimedialen Installation laufen lässt, die bekannten Gesichter von Donald Trump oder Steve Bannon auftauchen, erschrickt man fast.
Eigentlich herrsche ja in der Gesellschaft weitgehend der Konsens, dass die Natur geschützt werden solle, sagt Bettina Leidl, die Direktorin des Kunsthauses. „Allen Erkenntnissen zum Trotz bleibt unsere Beziehung zur Natur wie unsere Wahrnehmung von Natur irritiert“, sagt wiederum die Kuratorin der Schau, Verena Kaspar-Eisert. Und auch jedes Bild in der Ausstellung ist zugleich eine Art kritischer Be-
„Die Melancholie ist beflügelt vom Wissen um die Endlichkeit.“Verena Kaspar-Eisert, Kuratorin
standsaufnahme, und sei es noch so idyllisch. Jennifer Colten hat in der Serie „Wasteland Ecology“Gegenden am Mississippi fotografiert, wo trotz der industriellen Vergiftung die Natur ihren Platz behauptet. Wie grün dagegen sind die Bilder von Claudia Märzendorfer. Die Österreicherin, eigentlich ausgebildete Bildhauerin, hat auf je einem einen Quadratmeter großen Foto mit verschiedenen Gräsern in fettem Grün eine enorme Form und Farbtonvielfalt zusammengefasst, außerdem darf man sich an einem Stapel ihrer Poster bedienen und das Gras mit nach Hause nehmen. Andere Größenverhältnisse hat Michael Höpfner vor Augen, der zu Fuß Landschaften in Tibet, Nepal, China, Nordindien und die libysche Sahara durchwanderte und zum Übernachten sein Zelt in der Ödnis aufbaute. Wie winzig ist doch dieses Zelt in den unendlichen Weiten.
Und es gibt auch Pessimisten unter den Künstlern. Der Finne Ilkka Halso hat eine wunderschöne Flusslandschaft in seiner Heimat mit einer riesigen architektonischen Konstruktion überdacht – landet die Natur in Zukunft im Museum? Der im Amazonasgebiet geborene Rodrigo Braga setzt auf Aktionismus, auf seinem Video sieht man ihn ein riesiges Loch ausschaufeln, in das er zuletzt einen gefällten Baum versenkt und begräbt. Künstler wie Simone Nieweg oder Axel Hütte machen Lust, so schnell wie möglich in die Natur zu wandern, wo immer sie sich ausbreitet. Ausstellung: