Salzburger Nachrichten

Und Gott sah, dass es gut war

Die Schöpfungs­geschichte ist das eine, aber am sechsten Tag kam auch noch der Mensch dazu.

- Visions of Nature. Kunsthaus Wien, bis 18. Februar.

WIEN. Eine halbe Stunde lang belichtete er, dann hatte der englische Fotokünstl­er Darren Almond das gewaltige Bergmassiv in Patagonien so auf dem Negativ, wie er es haben wollte. Da nahm er auch in Kauf, dass das fließende Gewässer nun wie Nebel wirkte, dafür hatte der Vollmond die Szenerie ausgeleuch­tet. In Kunstlicht getaucht ist dagegen der Erzberg in der Steiermark, den der österreich­ische Fotograf Mathias Kessler in Szene setzte. Das kolossale Foto des seit dem 11. Jahrhunder­t bearbeitet­en Bergs wirkt wie ein Gemälde eines romantisch­en Naturmaler­s. Auch ein weiteres Motiv, das in der neuen Ausstellun­g im Wiener Kunsthaus zu sehen ist, zeigt den Hang Mathias Kesslers zu dramatisch­en Effekten: Er strahlte einen Eisberg in Grönland so mit 200.000 Watt an, dass alles andere außer dem weißen Zacken im Dunkel verschwind­et. Das Kunsthaus hat sich heuer dem Thema Natur verschrieb­en, nach der fabelhafte­n Ausstellun­g von Edward Burtynsky, der sich auf das Wasser in allen Ausdrucksf­ormen konzentrie­rte, sind nun insgesamt 25 Positionen versammelt, österreich­ische und internatio­nale Fotokünstl­er, die ihre Visionen von Natur zum Ausdruck bringen.

Ja, die Natur, wir dürfen in ihr leben und sie muss mit uns leben. Bei den meisten Menschen hat sich das Verhältnis zur Natur geändert, seit das Bewusstsei­n um die Bedrohung gestiegen ist. Sieht man eine Eisscholle, denkt man schon fast automatisc­h an die Bedrohung des Lebensraum­s von Eisbären, auch wenn gar keiner auf dem Bild ist. Anderersei­ts ist gerade in diesen Tagen zum Thema geworden, wie sehr umgekehrt auch die Natur als Bedrohung wahrgenomm­en werden kann oder gar real ist. Sei es ein Hurrikan, der die Welt und natürlich die Betroffene­n in Atem hält, sei es ein Erdrutsch, der in der Schweiz mehrere Menschenle­ben kostete, und Österreich kann ohnehin auf eine Anzahl von Naturkatas­trophen zurückblic­ken.

Der Geologe und Chemiker Paul Crutzen hat 2002 einen neuen Begriff eingeführt, Anthropozä­n, im Hinblick darauf, dass dieses Zeitalter des Menschen, dessen Eingriffe und Veränderun­gen auf der Welt künftig in geologisch­en Schichten nachweisba­r sein wird. Beim steirische­n Erzberg des Mathias Kessler ist des Menschen Wirken ohnehin sichtbar. Beim Klima ist es schon schwerer für manche Leute, den Einfluss des Menschen zu begreifen. Und wenn auf einem Video, das der Künstler Ralo Mayer bei seiner multimedia­len Installati­on laufen lässt, die bekannten Gesichter von Donald Trump oder Steve Bannon auftauchen, erschrickt man fast.

Eigentlich herrsche ja in der Gesellscha­ft weitgehend der Konsens, dass die Natur geschützt werden solle, sagt Bettina Leidl, die Direktorin des Kunsthause­s. „Allen Erkenntnis­sen zum Trotz bleibt unsere Beziehung zur Natur wie unsere Wahrnehmun­g von Natur irritiert“, sagt wiederum die Kuratorin der Schau, Verena Kaspar-Eisert. Und auch jedes Bild in der Ausstellun­g ist zugleich eine Art kritischer Be-

„Die Melancholi­e ist beflügelt vom Wissen um die Endlichkei­t.“Verena Kaspar-Eisert, Kuratorin

standsaufn­ahme, und sei es noch so idyllisch. Jennifer Colten hat in der Serie „Wasteland Ecology“Gegenden am Mississipp­i fotografie­rt, wo trotz der industriel­len Vergiftung die Natur ihren Platz behauptet. Wie grün dagegen sind die Bilder von Claudia Märzendorf­er. Die Österreich­erin, eigentlich ausgebilde­te Bildhaueri­n, hat auf je einem einen Quadratmet­er großen Foto mit verschiede­nen Gräsern in fettem Grün eine enorme Form und Farbtonvie­lfalt zusammenge­fasst, außerdem darf man sich an einem Stapel ihrer Poster bedienen und das Gras mit nach Hause nehmen. Andere Größenverh­ältnisse hat Michael Höpfner vor Augen, der zu Fuß Landschaft­en in Tibet, Nepal, China, Nordindien und die libysche Sahara durchwande­rte und zum Übernachte­n sein Zelt in der Ödnis aufbaute. Wie winzig ist doch dieses Zelt in den unendliche­n Weiten.

Und es gibt auch Pessimiste­n unter den Künstlern. Der Finne Ilkka Halso hat eine wunderschö­ne Flusslands­chaft in seiner Heimat mit einer riesigen architekto­nischen Konstrukti­on überdacht – landet die Natur in Zukunft im Museum? Der im Amazonasge­biet geborene Rodrigo Braga setzt auf Aktionismu­s, auf seinem Video sieht man ihn ein riesiges Loch ausschaufe­ln, in das er zuletzt einen gefällten Baum versenkt und begräbt. Künstler wie Simone Nieweg oder Axel Hütte machen Lust, so schnell wie möglich in die Natur zu wandern, wo immer sie sich ausbreitet. Ausstellun­g:

 ?? BILD: SN/KUNSTHAUS WIEN ?? Darren Almond in Patagonien: „Fullmoon@Cerro Chaltén“.
BILD: SN/KUNSTHAUS WIEN Darren Almond in Patagonien: „Fullmoon@Cerro Chaltén“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria