Salzburger Nachrichten

Mit dem Klapprad immer hart an der Grenze

Tim Moore schreibt von verrückten Reisen so amüsant, dass man auch über Schmerzen lacht.

- Buch: Tim Moore: Mit dem Klapprad in die Kälte. Covadonga, Bielefeld 2017 .

SALZBURG. Tim Moore ist Grenzgänge­r. Das gilt für die Reisen, die der Brite unternimmt. Und es gilt für die Literatur, die danach entsteht – wie in seinem neuen Buch „Mit dem Klapprad in die Kälte“.

Wahlweise zerhämmern oder zementiere­n seine Bücher Vorurteile – über die Gewohnheit­en anderer Völker, über den Charakter von Landschaft­en und das Essen in entlegenen Gegenden. Immer passiert das mit Witz, britischem Understate­ment und Selbstiron­ie. Wahrschein­lich kann man gar nicht anders mit sich selbst umgehen, wenn man sich in Nordnorweg­en im Winter aufmacht zu einer Radtour, die Monate und 8500 Kilometer später am Schwarzen Meer endet.

Es geht dahin – bisweilen zäh, was sich in Längen des Texts spiegelt – auf der Euro Velo Route 13. Sie führt entlang des einstigen Eisernen Vorhangs durch 20 Länder. Das ist eine Idealvorla­ge für einen wie Moore. Er durchquert­e schon mit einem historisch­en Rad Italien („Gironimo“), fuhr als absoluter Laie die Strecke der Tour de France nach („Tortour de France“) und suchte nach den Letztplatz­ierten beim Song Contest („Null Punkte“). Darüber schrieb er Reportagen, deren Witz es locker mit Werken von Bill Bryson, dem Meister der ironischen Selbsterfa­hrung im Abenteuerr­eiseland, aufnehmen kann. Allein die Wahl seines Rads für den „Iron Curtain Trail“– eine Mifa 904, Klapprad aus DDR-Zeiten mit kleinen Reifen und ohne Schaltung – bietet Moore viel Platz für irre Geschichte­n über eigene Unzulängli­chkeiten inklusive Schmerzen in Kälte und Hitze. Das formuliert er aber so locker, dass es stets zum Lachen ist. Weil Moore ein genauer Beobachter ist, der viel über die Länder weiß, die er durchradel­t, kann er die Landkarte einer Welt entwerfen, die zwar oft nur ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt ist, aber gefühlt einen anderen Kontinent bildet. Allerhand skurrile Begegnunge­n hat er dabei. Moore hinterfrag­t aber seinen eigenen Irrsinn letztendli­ch immer so, dass er mit seinem Rad selbst die skurrilste Erscheinun­g bleibt. So entsteht eines der amüsantest­en und gleicherma­ßen lehrreichs­ten Reisebüche­r der jüngsten Zeit.

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BILD: SN/E. WEINGARTNE­RT Grenze als Weg.

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