Der Klang saust von der Kuppel zur Erde
Eine gigantische Achse, mit der Fischer von Erlach Himmel und Erde verbindet, wird betont.
„Jetzt passt’s!“, rief Bernhard Leitner am Dienstag um 11.37 Uhr hinauf in die Kuppel der Salzburger Kollegienkirche. Dort hinauf war Christian Wallisch-Breitsching geklettert, um in fünfzig Metern Höhe einen Lautsprecher zu mobilisieren. „Jetzt ist er in der Kuppel!“, triumphierte der unten im runden Marmormosaik stehende Klangkünstler, meinte aber nicht den Verwaltungsdirektor der Universitätspfarre, sondern den Klang.
Wenig später rief Bernhard Leitner begeistert: „Sehen Sie jetzt oben den ganzen langen Nachhall! Der verlängert die Akustik der Kuppel.“Dabei blickt er hinauf. Sehen? Kann er Klang sehen? Da relativiert er’s, doch nur ein wenig: „Na ja, man kann ihn schon anschauen, denn Klang ist haptisch.“
Tatsächlich verführen Bernhard Leitners für die Kollegienkirche geschaffene Klänge zum Schauen. Auf die Kreisfläche im Marmorboden, die mit dem Oculus – der runden Öffnung in der Kuppel, auf der die Laterne sitzt – exakt korrespondiert, hat er einen der beiden Lautsprecher gesetzt, sodass sich die Klänge auf der gigantischen Vertikale bewegen, die Fischer von Erlach mittels Bauwerk und Licht geschaffen hat. „Ich nenne sie sogar Weltachse“, sagt Bernhard Leitner. Denn bei der immensen Höhe sei es nicht übertrieben zu sagen: „Himmel und Erde verbinden sich.“
Um diese Verbindung zu betonen, erzeugt er „gestampfte, gezogene, aufsteigende und absinkende Klänge“, und das in verschiedenen Geschwindigkeiten. „Die Kuppel hat acht Sekunden Nachhallzeit. Ich verlängere die auf vierzig Sekunden.“Als Material für dieses rund dreizehnminütige, mehrphasige Klangspiel hat er aus seiner „Klangbibliothek“vor allem Posaunenund andere Blastöne – etwa vom Didgeridoo – ausgewählt. „Und sehen Sie, das ist jetzt ein sandiges Geräusch.“All das hat er am Computer bearbeitet und die beiden Tonquellen auf die Gegebenheiten des Barockbaus Fischer von Erlachs abgestimmt. „Das ist keine Dekoration, das ist Teil dieser Kirche“, versichert der Künstler.
Diese „Klangachsen“hat er im Auftrag der Salzburg Foundation für die Kollegienkirche geschaffen, wo sie bereits im Sommer 2015
„Das ist eine vertikale Tonraum-Komposition.“
installiert gewesen sind. Nun hat er Lautsprecher und Abspielgerät so verkleinert und dazu ein zerlegbares Stahl-Rondeau gebaut, dass sich all dies auf der Treppe zur Kanzel verstauen lässt.
Dass er die „Klangachsen“als Dauerleihgabe gewährt, bringt eine raffinierte Erweiterung der Ausstattung der Kollegienkirche: Zu den sechzehn Barockfiguren, die derzeit restauriert werden und wofür noch Paten und Spender gesucht werden, und den Barockaltären aus dem 18. Jahrhundert gesellt sich nun ein Kunstwerk des 21. Jahrhunderts. Und zu den Genres Architektur und Plastik kommt der Klang hinzu. Während Altäre und Figuren immer in der Kollegienkirche stehen, werden die „Klangachsen“nur temporär zu erleben sein: derzeit für zwei Wochen, danach voraussichtlich im Advent. Installation: SN-Leser helfen: