Salzburger Nachrichten

Der Klang saust von der Kuppel zur Erde

Eine gigantisch­e Achse, mit der Fischer von Erlach Himmel und Erde verbindet, wird betont.

- Bernhard Leitner, Klangkünst­ler „Klangachse­n“von Bernhard Leitner, Kollegienk­irche, Salzburg, bis 23. September.

„Jetzt passt’s!“, rief Bernhard Leitner am Dienstag um 11.37 Uhr hinauf in die Kuppel der Salzburger Kollegienk­irche. Dort hinauf war Christian Wallisch-Breitschin­g geklettert, um in fünfzig Metern Höhe einen Lautsprech­er zu mobilisier­en. „Jetzt ist er in der Kuppel!“, triumphier­te der unten im runden Marmormosa­ik stehende Klangkünst­ler, meinte aber nicht den Verwaltung­sdirektor der Universitä­tspfarre, sondern den Klang.

Wenig später rief Bernhard Leitner begeistert: „Sehen Sie jetzt oben den ganzen langen Nachhall! Der verlängert die Akustik der Kuppel.“Dabei blickt er hinauf. Sehen? Kann er Klang sehen? Da relativier­t er’s, doch nur ein wenig: „Na ja, man kann ihn schon anschauen, denn Klang ist haptisch.“

Tatsächlic­h verführen Bernhard Leitners für die Kollegienk­irche geschaffen­e Klänge zum Schauen. Auf die Kreisfläch­e im Marmorbode­n, die mit dem Oculus – der runden Öffnung in der Kuppel, auf der die Laterne sitzt – exakt korrespond­iert, hat er einen der beiden Lautsprech­er gesetzt, sodass sich die Klänge auf der gigantisch­en Vertikale bewegen, die Fischer von Erlach mittels Bauwerk und Licht geschaffen hat. „Ich nenne sie sogar Weltachse“, sagt Bernhard Leitner. Denn bei der immensen Höhe sei es nicht übertriebe­n zu sagen: „Himmel und Erde verbinden sich.“

Um diese Verbindung zu betonen, erzeugt er „gestampfte, gezogene, aufsteigen­de und absinkende Klänge“, und das in verschiede­nen Geschwindi­gkeiten. „Die Kuppel hat acht Sekunden Nachhallze­it. Ich verlängere die auf vierzig Sekunden.“Als Material für dieses rund dreizehnmi­nütige, mehrphasig­e Klangspiel hat er aus seiner „Klangbibli­othek“vor allem Posaunenun­d andere Blastöne – etwa vom Didgeridoo – ausgewählt. „Und sehen Sie, das ist jetzt ein sandiges Geräusch.“All das hat er am Computer bearbeitet und die beiden Tonquellen auf die Gegebenhei­ten des Barockbaus Fischer von Erlachs abgestimmt. „Das ist keine Dekoration, das ist Teil dieser Kirche“, versichert der Künstler.

Diese „Klangachse­n“hat er im Auftrag der Salzburg Foundation für die Kollegienk­irche geschaffen, wo sie bereits im Sommer 2015

„Das ist eine vertikale Tonraum-Kompositio­n.“

installier­t gewesen sind. Nun hat er Lautsprech­er und Abspielger­ät so verkleiner­t und dazu ein zerlegbare­s Stahl-Rondeau gebaut, dass sich all dies auf der Treppe zur Kanzel verstauen lässt.

Dass er die „Klangachse­n“als Dauerleihg­abe gewährt, bringt eine raffiniert­e Erweiterun­g der Ausstattun­g der Kollegienk­irche: Zu den sechzehn Barockfigu­ren, die derzeit restaurier­t werden und wofür noch Paten und Spender gesucht werden, und den Barockaltä­ren aus dem 18. Jahrhunder­t gesellt sich nun ein Kunstwerk des 21. Jahrhunder­ts. Und zu den Genres Architektu­r und Plastik kommt der Klang hinzu. Während Altäre und Figuren immer in der Kollegienk­irche stehen, werden die „Klangachse­n“nur temporär zu erleben sein: derzeit für zwei Wochen, danach voraussich­tlich im Advent. Installati­on: SN-Leser helfen:

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BILD: SN/COPYRIGHT BY: FRANZ NEUMAYR PRES Bernhard Leitner in der von ihm erzeugten Klangachse von Kuppel zum Rundmosaik in der Kollegienk­irche.

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