Salzburger Nachrichten

Gesammelt klagt sich’s besser und billiger

Konsumente­nschützer machen Druck auf die Umsetzung alter Entwürfe für eine Sammelklag­e. Doch die Regierung blieb bisher säumig.

- HELMUT KRETZL

Meinl European Land, Immofinanz/Immoeast, AvW, Schiffsfon­ds, zuletzt die Dieselabga­s-Affäre bei VW – die Liste jener Fälle, in denen Tausende Anleger geschädigt und dann mit ihren Ansprüchen alleingela­ssen werden, wird immer länger. Bisher fehlt in Österreich eine echte Sammelklag­e, also ein Rechtsinst­rument, das es erlauben würde, alle Ansprüche zu bündeln und vergleichs­weise kostengüns­tig vor Gericht zu bearbeiten.

Die Konsumente­nschützer der Arbeiterka­mmer (AK) und des Vereins für Konsumente­ninformati­on (VKI) appelliere­n an die scheidende beziehungs­weise eine künftige Regierung, die bereits seit 2007 vorliegend­en Pläne für die Einführung von Sammelklag­en und Musterverf­ahren endlich umzusetzen. Die bestehende­n Mängel würden nicht nur Private, sondern auch Unternehme­n treffen.

Bereits im Regierungs­übereinkom­men 2008 ist die Einführung von Sammelklag­en und Musterproz­essen festgeschr­ieben, eine entspreche­nde Passage findet sich auch im Vorhabensk­atalog der aktuellen Regierung. Man habe lange geredet, „aber umgesetzt ist bis jetzt nichts“, beklagt Gabriele Zgubic, die Leiterin der Abteilung Konsumente­npolitik in der AK Wien. Es gehe um Regeln für einen leichteren Zugang zum Recht.

Thomas Hirmke, Leiter der VKIRechtsa­bteilung, ergänzt: „Unrecht kann sich doch lohnen“– wenn nämlich Schädiger nicht mit Sank- tionen rechnen müssten. Als aktuelles Beispiel nennt er den VW-Abgasskand­al. In diesem Fall gebe es zwar die Möglichkei­t einer „Sammelklag­e österreich­ischer Prägung“, die aber den gravierend­en Nachteil aufweise, dass eine gerichtlic­he Verfolgung eines ausländisc­hen Unternehme­ns nicht möglich ist. Das heißt, ein einzelner Kläger kann VW sehr wohl aus Österreich klagen. Bei einer Abtretung der Ansprüche an eine Organisati­on wie AK oder VKI geht der Verbrauche­rgerichtss­tand verloren.

Wie überhaupt die behelfsmäß­ige Lösung der „Sammelklag­e österreich­ischer Prägung“– vom VKI im Jahr 2000 ins Leben gerufen anlässlich einer Serie von Brechdurch­fällen in einem Clubhotel – eine Reihe von Nachteilen aufweist, wie die Konsumente­nschützer von AK und VKI aufzeigen. Die Organisati­on sei aufwendig, Geschädigt­e würden ihre Ansprüche nicht gern übertragen, der durch die Bündelung entstehend­e hohe Streitwert mache oft den Einsatz eines Prozesskos­tenfinanzi­erers notwendig. Zudem würden finanzkräf­tige Beklagte durch mehrere Zwischenst­reite – etwa die Anfechtung der Zuständigk­eit – den Streit in die Länge und somit die Kosten in die Höhe treiben.

Damit droht ein finanziell­es „Aushungern“und auch die Verjährung von Ansprüchen, Schadeners­atzansprüc­he etwa erlöschen nach drei Jahren. Als Vorbild verweist Hirmke auf die USamerikan­ische Sammelklag­e, die eine Verjährung vermeidet. Der Ausgang eines Verfahrens wirke automatisc­h zugunsten aller übrigen Betroffene­n, außer sie entscheide­n sich bewusst dagegen.

 ??  ?? Gabriele Zgubic,
Gabriele Zgubic,
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria