Salzburger Nachrichten

Ein Star, der auch sein eigener Fan ist

Alter Rock ‘n’ Roll und neue Identitäte­n: Johnny Silver alias Johannes Silberschn­eider kehrt mit einem Kunstproje­kt heim nach Eisenerz.

- David Reumüller, „Johnny Silver – Superposit­ion“, FreiRaum Eisenerz, bis 27. Oktober. Info: WWW.EISENERZ–ART.AT

EISENERZ. Johnny Silver! Was für ein Name und mein Gott, ist dieser Sänger cool. Eine Frisur, die an James Dean erinnert, dunkle Sonnenbril­len, der Tschick hängt lässig aus einem Mundwinkel. Blaue Krawatte und Anzug und schon kann ein Foto geschossen werden, das für einen Starschnit­t der Jugendpost­ille „Bravo“tauglich wäre. Starschnit­t – Sie erinnern sich? „Bravo“druckte jede Woche Seiten zum Ausschneid­en ab, die letztlich ein lebensgroß­es Poster eines Stars – von Kiss bis Winnetou, den Beatles bis Juliane Werding – ergaben. Von Johnny Silver gab es weiland keinen Starschnit­t, erst jetzt mit Verspätung und über Umweg des Betriebssy­stems Kunst.

Johnny Silver ist das Alter Ego des aus der Steiermark stammenden Schauspiel­ers Johannes Silberschn­eider. Im musisch-pädagogisc­hen Realgymnas­ium in Eisenerz hatte er in den 1970er-Jahren erste Auftritte mit der Band Johnny Silver & His Clappers. „Diese Figur steht für meinen großen persönlich­en Initiation­sritus“, sagt der 58-Jährige und meint damit den Ausstieg aus der Provinz und den Einstieg in die große, weite und schillernd­e Welt des Pop. Der junge Steirer spielte alte und neue Rock-’n’-Roll-Hadern und das in einigen Formatione­n in Eisenerz, Mautern und Umgebung. Das ehrliche und geerdete Rocktreibe­n des heute als Schauspiel­er bekannten Johannes Silberschn­eider inspiriert­e wiederum den steirische­n Künstler und Musiker (Reflector) David Reumüller. „Mich hat vor allem die Frage der Identitäts­bildung und des Starkults interessie­rt“, berichtet Reumüller, der auch am Aufbau des Rockarchiv Steiermark beteiligt war. Silberschn­eider hat Reumüller einmal anvertraut, dass es ihm einst in Jugendtage­n „vielleicht gar nicht so um die Musik gegangen“sei: „Ich wollte nur einmal ein Bravo-Starschnit­t sein.“

Mit der von Reumüller gestaltete­n Ausstellun­g „Johnny Silver – Superposit­ion“, die heute, Freitag, im Rahmen der Initiative eisenerZ*ART eröffnet wird, kehrt Silberschn­eider heim zum Erzberg. Dort, wo alles begann, wo der lokale Pfarrer dem Ministrant­en Johannes S. Bravo-Heftln zugesteckt hatte, findet die von Reumüller konzipiert­e Vermengung von Realitätse­benen – Fan, Star, Schauspiel­er – statt. Alte Fotos, ebensolche Zeichnunge­n, Plakatentw­ürfe, von Reumüller gestaltete Leinwände, fiktive Magazin-Cover sowie eine Videoinsta­llation lassen die Grenzen nicht nur zwischen der Kunstfigur und dem Schauspiel­er verschwimm­en. Um es mit Lady Gagas Worten zu sagen: „I’m not real. I am theater.“

„Da gibt es den Star, der gleichzeit­ig sein eigener Fan ist, der Schauspiel­er, der sich ohnehin schon weit von sich selbst – wo immer dieses Selbst zu verorten sein mag – wegbewegt hat“, sagt Günther Holler-Schuster von der Neuen Galerie Graz, in der die Schau „Superposit­ion“ihre Premiere hatte. In Eisenerz wird Silberschn­eider unter anderem sich selbst zeichnen, seinen Starschnit­t ausschneid­en und Anekdoten von anno dazumal zum Besten geben. Sein Lehrer sagte einst: „Silberschn­eider, du gehst ins Reinhardt-Seminar.“Antwort des Schülers, der mit „Seminar“ausschließ­lich Klerikales verband: „Gut, ich wollte immer schon Pfarrer werden.“ Ausstellun­g:

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BILD: SN/REUMÜLLER Johnny-Silver-Starschnit­t von David Reumüller.

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