Ein Star, der auch sein eigener Fan ist
Alter Rock ‘n’ Roll und neue Identitäten: Johnny Silver alias Johannes Silberschneider kehrt mit einem Kunstprojekt heim nach Eisenerz.
EISENERZ. Johnny Silver! Was für ein Name und mein Gott, ist dieser Sänger cool. Eine Frisur, die an James Dean erinnert, dunkle Sonnenbrillen, der Tschick hängt lässig aus einem Mundwinkel. Blaue Krawatte und Anzug und schon kann ein Foto geschossen werden, das für einen Starschnitt der Jugendpostille „Bravo“tauglich wäre. Starschnitt – Sie erinnern sich? „Bravo“druckte jede Woche Seiten zum Ausschneiden ab, die letztlich ein lebensgroßes Poster eines Stars – von Kiss bis Winnetou, den Beatles bis Juliane Werding – ergaben. Von Johnny Silver gab es weiland keinen Starschnitt, erst jetzt mit Verspätung und über Umweg des Betriebssystems Kunst.
Johnny Silver ist das Alter Ego des aus der Steiermark stammenden Schauspielers Johannes Silberschneider. Im musisch-pädagogischen Realgymnasium in Eisenerz hatte er in den 1970er-Jahren erste Auftritte mit der Band Johnny Silver & His Clappers. „Diese Figur steht für meinen großen persönlichen Initiationsritus“, sagt der 58-Jährige und meint damit den Ausstieg aus der Provinz und den Einstieg in die große, weite und schillernde Welt des Pop. Der junge Steirer spielte alte und neue Rock-’n’-Roll-Hadern und das in einigen Formationen in Eisenerz, Mautern und Umgebung. Das ehrliche und geerdete Rocktreiben des heute als Schauspieler bekannten Johannes Silberschneider inspirierte wiederum den steirischen Künstler und Musiker (Reflector) David Reumüller. „Mich hat vor allem die Frage der Identitätsbildung und des Starkults interessiert“, berichtet Reumüller, der auch am Aufbau des Rockarchiv Steiermark beteiligt war. Silberschneider hat Reumüller einmal anvertraut, dass es ihm einst in Jugendtagen „vielleicht gar nicht so um die Musik gegangen“sei: „Ich wollte nur einmal ein Bravo-Starschnitt sein.“
Mit der von Reumüller gestalteten Ausstellung „Johnny Silver – Superposition“, die heute, Freitag, im Rahmen der Initiative eisenerZ*ART eröffnet wird, kehrt Silberschneider heim zum Erzberg. Dort, wo alles begann, wo der lokale Pfarrer dem Ministranten Johannes S. Bravo-Heftln zugesteckt hatte, findet die von Reumüller konzipierte Vermengung von Realitätsebenen – Fan, Star, Schauspieler – statt. Alte Fotos, ebensolche Zeichnungen, Plakatentwürfe, von Reumüller gestaltete Leinwände, fiktive Magazin-Cover sowie eine Videoinstallation lassen die Grenzen nicht nur zwischen der Kunstfigur und dem Schauspieler verschwimmen. Um es mit Lady Gagas Worten zu sagen: „I’m not real. I am theater.“
„Da gibt es den Star, der gleichzeitig sein eigener Fan ist, der Schauspieler, der sich ohnehin schon weit von sich selbst – wo immer dieses Selbst zu verorten sein mag – wegbewegt hat“, sagt Günther Holler-Schuster von der Neuen Galerie Graz, in der die Schau „Superposition“ihre Premiere hatte. In Eisenerz wird Silberschneider unter anderem sich selbst zeichnen, seinen Starschnitt ausschneiden und Anekdoten von anno dazumal zum Besten geben. Sein Lehrer sagte einst: „Silberschneider, du gehst ins Reinhardt-Seminar.“Antwort des Schülers, der mit „Seminar“ausschließlich Klerikales verband: „Gut, ich wollte immer schon Pfarrer werden.“ Ausstellung: