Die Ziele und Pläne der „großen Drei“
Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache stellten sich erstmals zu dritt der Diskussion.
Großer Publikumsandrang im Linzer Design Center, wo Freitagnachmittag die von „Salzburger Nachrichten“und den anderen Bundesländerzeitungen organisierte Dreier-Konfrontation zwischen Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache angesetzt war. Nicht nur das Publikums-, auch das Medieninteresse war groß. Die drei Herren hatten sich in diesem Wahlkampf noch nie in dieser Konstellation der Öffentlichkeit gestellt und werden das in den kommenden Wochen auch nicht mehr tun. „Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige wegen Ihnen aufgeben“, scherzte FPÖ-Chef Strache in Richtung von ÖVP-Chef Kurz, der sich – da in allen Umfragen führend – sehr rarmacht. Diesmal war er aber vorhanden, weshalb die Diskussion auch auf ORF III ausgestrahlt wurde, und das gleich zwei Mal.
Und das waren die Kernbotschaften der „großen drei“, die sich bei der bevorstehenden Wahl die Chance auf den Kanzlersessel ausrechnen. Zukunft der Arbeit Christian Kern warnte vor einer „Spaltung der Gesellschaft in wenige Gewinner und viele Verlierer“. Er verwies auf wirtschaftlich potente Regionen, etwa das Silicon Valley, wo sich Durchschnittsverdiener keine Wohnung mehr leisten könnten. „In einer solchen Welt wollen wir nicht leben“, sagte der Kanzler. Sein Rezept: Erstens Bildung, um die Wertschöpfung zu erhöhen. „Wir werden niemals billiger sein als die anderen. Wir müssen besser sein.“Und zweitens eine neue Finanzierung des Sozialstaats. „Pensionsversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Kindergeld – alles wird durch die Erwerbseinkommen finanziert.“Das werde „auf Dauer nicht möglich sein“, die Finanzierung des Sozialstaats müsse auf eine breitere Basis gestellt werden, Stichwort Wertschöpfungsabgabe.
Sebastian Kurz warnte davor, die Folgen der Digitalisierung ausschließlich negativ zu diskutieren. Natürlich würden Jobs wegfallen. Es würden aber auch neue entstehen. „Wir müssen trachten, dass diese nicht nur in Singapur, in Tel Aviv oder im Silicon Valley entstehen, sondern auch bei uns.“Wie sieht sein Rezept aus? Junge Menschen sollten vermehrt in technischen Berufen ausgebildet werden. Es fehlten Programmierer und Techniker, „wir müssen Lust auf technische Berufe machen“, sagte Kurz. Um auf den internationalen Märkten bestehen zu können, müssten die Kinder viel früher als bisher an Fremdsprachen herangeführt werden. Und schließlich solle die Schulpflicht durch eine Bildungspflicht ersetzt werden. Jeder solle erst dann die Schule verlassen dürfen, „wenn er oder sie ausreichend lesen, schreiben oder rechnen kann“, sagte Kurz.
Heinz-Christian Strache kritisierte den Umstand, dass in etlichen Pflichtschulklassen Kinder mit Deutschkenntnissen in der Minderheit seien. „Wenn nur mehr zwei Kinder dem Unterricht folgen können, hat das doch keinen Sinn“, sagte der FPÖ-Chef. Er trat dafür ein, „jene Kinder, die es benötigen“, vor dem eigentlichen Schulstart in Sprachkurse zu schicken. „Nur so können wir verhindern, dass Tausende zwar das Schulsystem verlassen, aber auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind“, sagte er. Die Lehre solle attraktiver gestaltet und staatlich gefördert werden. Es habe keinen Sinn, „wenn auf der einen Seite alle Kinder zur Matura gehetzt werden, und auf der anderen Seite fehlen uns die Fachkräfte“. Migration Kurz trat der Auffassung entgegen, „dass die Migrationskrise allein dadurch gelöst werden kann, dass wir in den Herkunftländern Hilfe leisten“. Das Problem der meisten afri-
kanischen Staaten sei nicht das zu geringe Wirtschaftswachstum, sondern die hohe Geburtenrate. Diese müsse eingedämmt werden. Überdies kämen die meisten Migranten gar nicht aus den ärmsten Ländern, „sondern aus den etwas entwickelteren Staaten. Die anderen können sich nämlich keinen Schlepper leisten.“Es führe, betonte Kurz, kein Weg an einem besseren Grenzschutz vorbei. „Und es muss klar sein: Wer sich illegal auf den Weg macht, wird in seine Heimat zurückgeschickt.“
Auch Kern trat dafür ein, in der Migrationsfrage „nicht über die Grenzen der Solidarität“hinauszugehen. Die illegale Migration müsse „auf null“reduziert werden. Jene, „die zu uns kommen“, müssten die Regeln akzeptieren und rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Der Kanzler verwies darauf, dass die grundlegenden Fehler in der Migrationspolitik 2015 und davor gemacht wurden. Subtext: Da war er noch nicht in der Politik, im Gegensatz zum Außen- und Integrationsminister Kurz.
Strache kritisierte die EU-Grenzschutzbehörde, „die in Wahrheit keine Grenzen schützt, sondern einen Schlepperauftrag“habe – nämlich, indem sie Migranten nach Europa bringe. Er plädierte dafür, wieder die Dublin-Regeln (Asylantrag im ersten sicheren Staat) anzuwenden. Solange „Flüchtlingsfamilien so viel Mindestsicherung kriegen wie arbeitende Menschen, werden wir den Zuzug nicht bremsen“. Pensionen Strache forderte 1200 Euro Mindestpension für Menschen, „die 40 oder 45 Jahre gearbeitet haben“. Kindererziehungszeiten sollten voll angerechnet werden, damit Mütter an ihrem Lebensabend „nicht in Altersarmut abrutschen.“
Kern verwies darauf, „dass wir heuer um 600 Millionen Euro weniger für die Pensionen ausgeben, als wir noch letzten Herbst angenommen haben“. Ursache sei die positive Wirtschaftsentwicklung, die zu einer höheren Beschäftigung geführt habe. Daher seien Kürzungen im Pensionssystem nicht notwendig.
Kurz plädierte dafür, das reale Pensionsalter an das gesetzliche anzupassen. Wirtschaftswachstum sei das beste Mittel zur Finanzierung der Pensionen. Eine „Auflösung des Investitionsstaus“(sprich: eine Errichtung zahlreicher Großprojekte, die in der Warteschleife hängen) würde ebenfalls Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen. Ein Wunsch Die Aufforderung der Moderatoren Claudia Gigler und Wolfgang Braun, „einen Wunsch“zu nennen, quittierten die Kandidaten so: Kurz würde die 21 Sozialversicherungs- träger zusammenlegen. Kern würde eine Staatsreform durchführen – „für jede Kompetenz sollte es nur einen Zuständigen geben“. Strache forderte, die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die Lebenshaltungskosten in deren Heimat anzupassen. Und die Koalitionsfrage? Blieb offen. Das werde nach dem 15. Oktober entschieden, stellten die drei Herren gleichlautend fest. Auszüge der Diskussion sind auf WWW.SALZBURG.COM/264919 abrufbar.
„Wollen keine Spaltung der Gesellschaft.“Christian Kern, SPÖ „Illegale in die Heimat schicken.“Sebastian Kurz, ÖVP „Wollte Vermisstenanzeige erstatten!“Heinz-Christian Strache, FPÖ