Salzburger Nachrichten

„Wut und Trauer stacheln uns an“

Aufwühlend­e Rede von Georg Friedrich Haas zum herbst-Jubiläum.

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GRAZ. Mit einer intensiven und aufwühlend­en Festrede von Georg Friedrich Haas hat der steirische herbst Donnerstag­abend sein 50-Jahr-Jubiläum begangen. Ausgehend von seiner eigenen Familienge­schichte verknüpfte der 64-jährige Komponist die nationalso­zialistisc­hen Schatten im Nachkriegs­österreich mit der Situation in der Kunstlands­chaft: „Der Schmerz und die Wut und die Trauer stacheln uns an.“Da Faschismus und Fundamenta­lismus weltweit im Vormarsch seien, müssten die Künstler „den Virus der Humanität“verbreiten: „Wir haben noch viel zu tun. Und wir werden es tun.“

Haas berichtete von seinem Vater und seinem Großvater, die als Nationalso­zialisten Menschen auf dem Gewissen hätten: „Wenn ich komponiere, stehen die Toten hinter mir und ich fühle, dass sie auch jetzt, wo ich hier spreche, hinter mir stehen: die jüdische Familie, die versucht hatte, in Wien zu überleben, indem sie tagsüber durch die Straßen zog und nachts irgendwo anläutete und um Übernachtu­ng bettelte. Mein Großvater bat sie in die Küche und rief die Gestapo an.“Das aus Nationalso­zialisten bestehende Gespinst habe Österreich auch nach Kriegsende durchdrung­en. „Das Verbotsges­etz hatte versagt. Österreich hätte ein Überwachun­gsstaat werden müssen, um all die ständigen Verletzung­en dieses Gesetzes ahnden zu können“, sagte Haas. Und: „Der Staat hatte sich gegenüber den Nazis als machtlos erwiesen.“Während der österreich­ische Journalism­us dies alles nicht aufdecken konnte oder wollte, seien die Künstlerin­nen und Künstler die Einzigen gewesen, die darüber hätten reden können: Die Dunkelheit, der Schmerz, die Radikalitä­t in der österreich­ischen Kunst hätten hier ihren Ursprung. Auch die Gründung des steirische­n herbsts hat laut Haas mit dem Nazimief zu tun. Nachdem 1963 der Nazischrif­tsteller Josef Papesch den Peter-Rosegger-Literaturp­reis bekommen habe, lief die steirische Kulturpoli­tik Gefahr, „jeden Rest moralische­r Integrität zu verlieren“. herbst-Gründer Hanns Koren von der ÖVP sei damals in der Jury gewesen. Um ein Gegengewic­ht zu schaffen gegen den „sicht- und fühlbaren braunen Sumpf“, sei 1967 dann der steirische herbst geboren worden. „Das, was zuvor als entartete Kunst diffamiert worden war, wurde nun in den Mittelpunk­t eines die Identität des Landes mitdefinie­renden Festivals gestellt.“ Die Rede

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BILD: SN/APA Georg Friedrich Haas

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