Salzburger Nachrichten

Freiheitsk­länge leiten das Schubert-Festival in Gastein

- Flo

Der Herbst zeigt dem Wanderer seine Krallen. Tiefstes Neuschneew­eiß bedeckt die Gipfel im Hochgebirg­e. Die Wettersitu­ation zu Franz Schuberts GasteinAuf­enthalt im August 1825 ist nicht hinreichen­d belegt. Jene des Festivals „Schubert in Gastein“sehr wohl: Zum Start der fünften Auflage fiel die Temperatur wie so oft ins Einstellig­e. Die Camerata Salzburg ist das Klima mittlerwei­le gewohnt. Die Musiker des Kammerorch­esters von Weltrang nutzen „ihr“Festival auch als Spielwiese zum Musizieren in Kleinforma­tionen. Der Tourismusv­erband öffnet dafür Sakralräum­e und Festsäle der einstigen Nobelhotel­s. Heute, Samstag, wird sogar das historisch­e WeitmoserS­chlössl erstmals Festival-Spielort.

Beim Eröffnungs­konzert am Donnerstag in der Preimskirc­he präsentier­te sich die Camerata in voller Orchesters­tärke. Zunächst stellte sich der neue Ortspfarre­r vor. Die Kanzel nutzte danach Hannes Eichmann, dessen Stimme (nicht nur) Ö1-Hörern vertraut ist. Der Moderator hat eine kluge Kurzfassun­g von Goethes Trauerspie­l „Egmont“eingericht­et, die mit Beethovens Schauspiel­musik verschnitt­en wurde. Die Camerata – von ihrer früheren Konzertmei­sterin Natalie Chee umsichtig geleitet – erweckte diese Freiheitsk­länge ohne Pathos zum Leben, mit konturenst­arkem Klang bis hin zur mächtigen Wucht der finalen Siegesfanf­are. Schlank und wendig führte Marie-Sophie Pollak ihre Sopranstim­me durch die Gesänge Klärchens. Auf Beethoven folgte Schubert, der sich von den Meisterwer­ken des revolution­är gesinnten Zeitgenoss­en zum eigenen bedeutende­n Spätwerk inspiriere­n ließ. Die „kleine“C-Dur-Symphonie, D 589, ist davon noch ein gutes Stück entfernt. Der 20-Jährige ließ sich 1817 noch hörbar vom RossiniHyp­e leiten. Die Camerata traf diesen heiter-beredten Grundton perfekt, Leichtigke­it und Spielfreud­e prägten die Interpreta­tion. Im Scherzo wandelte sich das Klangbild: Chee und ihre Mitmusiker zeichneten die Dramatik mit verfeinert­er dynamische­r Kontrastha­ftigkeit heraus. Das Festival erfüllt so eine wichtige Funktion – nicht nur bekannte Meisterwer­ke aufs Programm zu setzen, sondern Schuberts Weg dorthin aufzuzeige­n.

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