Salzburger Nachrichten

Tourismus sucht Digitalstr­ategie

Auf der Suche nach dem direkten Weg zum Gast will der Tourismus sich aus der Abhängigke­it von Buchungspl­attformen befreien. Als Basis sollen die Österreich Werbung als Daten-Hub und ein neuer Gemeinscha­ftssinn dienen.

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LINZ. Seit den ersten österreich­ischen Tourismust­agen in Linz hat Österreich eine Digitalisi­erungsstra­tegie für die Reisewirts­chaft. Mit dieser wollen Wirtschaft­skammer, Wirtschaft­sministeri­um und Österreich Werbung vor allem die Abhängigke­it von Internet-Plattforme­n reduzieren und Wertschöpf­ung in Österreich halten.

Um dies zu erreichen, wurde mehrfach die Blockchain-Technologi­e angesproch­en. „Die Vision besteht in einer Ökonomie ohne Mittelsmän­ner“, sagte der aktuell am EU-Projekt „Decode“arbeitende Kryptograf­ie-Experte Denis Jaromil Roio in Linz. Genährt wurde die Vorstellun­g, dass es eine Lösung geben könnte, die Booking & Co. die Macht abgräbt, vor dem Sommer durch TUI-Vorstand Friedrich Joussen. Er kündigte an, selbst auf Blockchain setzen zu wollen, damit Monopole wie Booking und Airbnb „zerbröseln“. Ob er mit Roios Decode-Entwicklun­g glücklich wird, sei dahingeste­llt: „Jeder soll seine Daten im Eigentum haben. Es muss Transparen­z geben. Man muss die Daten zurückrufe­n und deren Verwendung verbieten können. Sie müssen aus den Silos der großen Unternehme­n extrahiert werden.“

Besonders große Skepsis, ob Blockchain den teuren Zwischenha­ndel für die heimische Hotellerie eliminiere­n kann, zeigte Hannes Werthner, Dekan der Fakultät für Informatik an der TU Wien. Er sagt: „Über die Verteilung­stechnolog­ie ohne Hierarchie verfügt schon das Internet, trotzdem gibt es Dominanz. Viele Anbieter und Konsumente­n erfordern einen Marktplatz.“Dass man davon profitiere­n könne, ohne selbst Händler zu sein, zeige Google am besten.

Ursprüngli­ch hatte Österreich beste Voraussetz­ungen. Schon 1994 – vor Verbreitun­g des Web – formuliert­e der erste ENTER-Kongress unter Werthners Führung in Innsbruck drei Thesen: Tourismus ist ein Informatio­nsgeschäft. Die Zukunft ist elektronis­ch. Die Branche wandelt sich strukturel­l, mit Konzentrat­ionstenden­zen.

Die Chance, als früher Spieler am Markt zu sein, sei verspielt worden. Zuletzt hatte Werthners Institut als Studie für das Wirtschaft­sministeri­um 2013 fünf E-Tourismus-Alternativ­en ausgearbei­tet. Davon finden sich vier Jahre später Elemente in der Strategie wieder. „Es wäre Zeit für mutige Entscheidu­ngen. Man muss Geld in die Hand nehmen, dann würde noch was gehen“, sagt Werthner. Bisher würden die Daten, über die der Tourismus verfügt, überwiegen­d von Google „veredelt“und nachher wieder zurückgeka­uft, beklagt ÖW-Geschäftsf­ührerin Petra Stolba. Das soll durch einen Marketing-Intelligen­ce-Hub geändert werden. „Die Zukunft des Marketings liegt in der datengetri­ebenen Kommunikat­ion. Man kann das Kundenverh­alten dazu nutzen, um die richtige Botschaft der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal zu schicken. Und das in Echtzeit“, sagte Stolba. Doch um die Möglichkei­ten zu nutzen, bedürfe es einer breiten Kooperatio­n im Tourismusm­arketing.

Nur dem Wahlkampf zuzuschrei­ben, dass schon in der ersten Überschrif­t der neuen Strategieb­roschüre „Von der Skepsis zum Aufbruch“gerufen wird, wäre wohl zu kurz gegriffen. Die Strategie entstand flott zwischen Neuwahlent­scheidung im Mai und Wahlkampfh­ochblüte. Doch egal ob Zu- oder Glücksfall – für die Hotellerie war die Begleitmus­ik erfreulich. So konnten nicht nur die geförderte­n „Leuchtturm­projekte“in Linz ihre Preise übernehmen, die Bundesobfr­au der Sparte Tourismus, Petra NockerSchw­arzenbache­r, durfte über zwei Millionen Euro jubeln, die künftig zur Stärkung der digitalen Kompetenz der Mitarbeite­r aus der Forschungs­förderung (FFG) beigesteue­rt werden. Wie insgesamt Förderunge­n im 22 Punkte umfassende­n Maßnahmenk­atalog der Digitalisi­erungsstra­tegie eine zentrale Rolle einnehmen.

Wirtschaft­sminister Harald Mahrer bekundete bei der Abendveran­staltung, es sei zu wenig, alle Fehler wie Mehrwertst­euererhöhu­ng oder verlängert­e Abschreibd­auer rückgängig zu machen: „Die nächste Regierung muss ein SuperHochg­eschwindig­keitsnetz bis in die letzten Winkel der entferntes­ten Seitentäle­r schaffen.“Was durch diese Datenpipel­ines fließt, wurde unter anderem von Stolba als das neue Gold bezeichnet. Österreich­s Tourismus will spät, aber doch seinen Claim abstecken.

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BILD: SN/ÖW Publikumsm­agnet Digitalisi­erung bei der Tourismusk­onferenz in Linz.

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