Salzburger Nachrichten

Unsichtbar gemacht haben Frauen mehr Chancen

Das Schubladen­denken ist stärker, als die meisten glauben möchten. Das behindert Frauen im Beruf. Also verschleie­rn wir doch!

- Karin Zauner WWW.SALZBURG.COM/FRAUENSACH­E

Frauen können sich nur falsch verhalten. Treten sie selbstbewu­sst auf, beanspruch­en sie Führungsro­llen für sich oder sagen sie gar offen, was Sache ist, misstraut man ihnen. Vorwürfe, die Frau agiere aggressiv oder sie sei ja ärger als jeder Mann, was stets sehr selbstentl­arvend ist, werden lustvoll gepflegt.

Unlängst meinte ein erfahrener und hochrangig­er Mann der Wirtschaft durchaus wohlwollen­d: „Agiere doch endlich männlich!“Dies meinte er im Sinne: Nimm keine Rücksicht auf die anderen. Mein Konter: „Ich agiere weder männlich noch weiblich, sondern menschlich.“Der Ratgeber lächelte mitleidig. In gewisser Weise hat er natürlich recht. Denn das kategorisc­he Denken hat eine große Macht. Wir Menschen stecken alles in Schubladen. Dass dabei viele falsche Stereotype entstehen, fällt den meisten gar nicht auf. Und so werden bestimmt agierende Männer bewundert, Frauen mit dem gleichen Verhalten aber als aggressiv abgestempe­lt. Man hat die Klischees so oft gehört, dass objektiv Falsches zur Wahrheit wird.

Das Dumme für Frauen dabei ist, dass diese falschen Stereotype im Berufslebe­n ihre Chancen unterwande­rn. Das schadet auch Unternehme­n, die damit auf Talente verzichten. All die Fördermaßn­ahmen für Frauen helfen herzlich wenig, die Klischees zu beseitigen.

Die Schweizer Verhaltens­ökonomin Iris Bohnet, die Dekanin an der Kennedy School of Government der US-Elite-Universitä­t Harvard war, fordert daher eine Anonymisie­rung des Bewerbungs­prozesses. Es sollten nur mehr Leistungen zählen und nicht Geschlecht oder Aussehen. In den USA haben Sinfonieor­chester bereits in den 1970er-Jahren begonnen, Musiker hinter Vorhängen vorspielen zu lassen. Das hat die Wahrschein­lichkeit, dass eine Frau angestellt worden ist, um 50 Prozent erhöht. Heute spielen in amerikanis­chen Orchestern 40 Prozent Frauen. Wie jemand ausschaut, hat allenfalls etwas mit Sympathie zu tun, aber nichts mit seiner oder ihrer Leistung. Sympathie empfinden wir vor allem für jene, die uns ähnlich sind, das fördert keinesfall­s Diversität. Auch freie Gespräche statt strukturie­rter führen dazu, dass Bewerberin­nen und Bewerber aufgrund unbewusste­r Vorurteile ausgesiebt werden. Eine IT-Firma hat daher ihre Aufnahmete­sts derart anonymisie­rt, dass sie nicht nur das Geschlecht, sondern auch die Studienabs­chlüsse rausgenomm­en hat. Siehe da: Die Firma bekam bessere Mitarbeite­r und mehr Frauen. Sicher, die Vorstellun­g, sich als Frau unsichtbar machen zu müssen, ist auf den ersten Blick frustriere­nd und erinnert an Autorinnen früherer Jahrhunder­te, die nur unter männlichen Pseudonyme­n schreiben konnten. Auf den zweiten Blick ist die Anonymisie­rung aber eine gute Chance für Frauen.

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