Verleihung der Emmys wurde zur Anti-Trump-Show
Nach dem Ende der Weltkunstveranstaltung gehen die Wogen hoch. Ein stattliches Defizit entzweit den Kurator der Schau und die Politik.
Mit seinen Parodien auf Donald Trump erregte Alec Baldwin schon während des US-Präsidentschaftswahlkampfs Aufsehen. Nun hat der Schauspieler dafür einen Preis bekommen: Bei den Emmys, der TVVariante der Oscars, wurde er für seine Auftritte in der Satireshow „Saturday Night Live“als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Die Trophäe widmete er augenzwinkernd dem US-Präsidenten. Trump hatte sich mehrfach beklagt, dass seine Reality-Show „The Apprentice“noch nie einen Emmy gewonnen hat.
Der medial immer stärker ins Schussfeld der Kritik geratene Kurator Adam Szymczyk präsentierte sich zum Abschluss der documenta am Wochenende gemeinsam mit seinem Kernteam vor dem Fridericianum in Kassel. Die documenta-Mitarbeiter trugen Transparente mit der Aufschrift „Wir danken allen Besucher*innen herzlich – Wir stehen hinter der documenta 14“. Eine fast schon trotzige Geste angesichts der finanziellen Turbulenzen rund um die Weltkunstschau, die in den vergangenen Monaten – bei Kritikern wie Besuchern – polarisiert hat. Das von Szymczyk ausgegebene Motto der Veranstaltung – „Von Athen lernen“– führt jetzt angesichts eines drohenden Millionendefizits zu Spott und naheliegenden Scherzen.
Was einige im Vorfeld befürchtet hatten, ist eingetreten: Mit der Entscheidung, zusätzlich zum traditionellen Standort Kassel auch noch Athen als zweiten, gleichberechtigten Standort zu bespielen, hat sich die documenta 14 organisatorisch und finanziell überhoben. Was als Akt der Solidarität gedacht war, hat Teilerfolge erzielen können, zugleich liefen aber auch die Kosten aus dem Ruder. Die exakten Zahlen liegen noch nicht auf dem Tisch, aber die documenta könnte heuer ein Defizit in der Höhe von sieben Millionen Euro hinterlassen. Wie berichtet, hatte eine drohende Insolvenz der renommierten Großveranstaltung kurzfristig nur durch eine Bürgschaft des Landes Hessen und der Stadt Kassel abgewendet werden können.
Als Gründe für das Finanzdesaster werden offiziell die hohen Kosten für die zahlreichen Ausstellungsorte in Athen sowie ein Besuchereinbruch im August genannt. Am kommenden Donnerstag wird sich der Aufsichtsrat der documenta mit der prekären Causa befassen. Schließlich wird in einigen deutschen Medien schon über eine Abschaffung der 1955 von Arnold Bode gegründeten Veranstaltung diskutiert. Auf eine gemeinsame Abschlussfeier von Stadt und Organisationsteam wurde heuer verzichtet, insbesondere der Haussegen zwischen einigen Politikern und dem documenta-Kurator scheint schief zu hängen. „Die Freiheit des künstlerischen Leiters ist ein wertvolles Gut, das ich auch weiter hochhalten werde“, sagte Christian Geselle, SPD-Oberbürgermeister von Kassel. Aber diese Freiheit habe ihren Rahmen dort, „wo sie die documenta selbst in Gefahr bringt“. Damit antwortete Geselle Szymczyk, der in den vergangenen Tagen die Politik attackiert hatte. Diese habe einen Medienrummel verursacht, indem sie das Bild des unmittelbar bevorstehenden Bankrotts der documenta in Umlauf gebracht habe. Und: Die Politik präsentiere sich als Retter in einer Krise, deren Entwicklung sie selbst zugelassen habe. Zudem prangerte der documenta-Leiter noch das „ausbeuterische Modell“an, unter dem die „wichtigste Ausstellung der Welt“produziert wird.
Die documenta 14 umfasste heuer 163 Ausstellungstage in Athen und Kassel – „eine ganze Stadt und 63 Tage mehr als jede bisherige Stadt“, wie es in einer Erklärung des Kuratorenteams heißt. Angeregt wird, das „System der Wertschöpfung solcher Megaausstellungen wie der documenta auf den Prüfstand zu stellen“: „Das Geld, das während Dauer und Vorbereitung der documenta in die Stadt fließt, übersteigt die Summe, die Stadt und Region in die Ausstellung investieren, und zwar um ein Vielfaches.“
Der touristische Erfolg der Kunstschau ist unbestritten, laut Tourismusgesellschaft Kassel wird man 2017 bei den Übernachtungen die Eine-Million-Grenze überspringen können. Hotellerie und Gastronomie zählten zu den Profiteuren. Offizielle Besucherzahlen wurden noch nicht veröffentlicht, bis zum vergangenen Donnerstag sollen in Kassel aber 850.000 Besucher gezählt worden sein. Dies würde einen Besucherrückgang im Vergleich zur documenta 13 bedeuten – damals zählten die Veranstalter 905.000 Besucher. Zählt man die Besucher aus Athen noch hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von immerhin knapp 1,2 Millionen Besuchern der mit einem Gesamtbudget in der Höhe von 37 Millionen Euro ausgestatteten Doppeldocumenta.
Kritikerschelte und Finanzprobleme sind keine Novitäten in der documenta-Historie. Auch die legendäre documenta 5 – kuratiert von Harald Szeemann – war 1972 in die roten Zahlen geschlittert. Zweifel am Weiterbestand der Kunstschau gibt es trotz Turbulenzen um Geld und inhaltliche Ausrichtung aber keine. Oberbürgermeister Christian Geselle verteilte am Wochenende an vier Besucher Gutscheine für die documenta 15 im Jahr 2022. Nach dem Spektakel ist vor dem Spektakel.
Am Donnerstag berät der Aufsichtsrat mögliche Konsequenzen