Salzburger Nachrichten

Moskaus Mann für Muslime Geeignet für verdeckte Einsätze

Der Chef der russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien macht seine eigene Außenpolit­ik. Eigenmächt­ig handelt Ramsan Kadyrow aber nicht.

- Ramsan Kadyrow herrscht von Putins Gnaden.

Niemand solle glauben, er sei zufrieden mit dem, was in Myanmar mit den Muslimen geschehe. Ramsan Kadyrow blickt auf sein Notebook. „Ich bin sogar sehr unzufriede­n. Und wenn Russland gar jene Teufel unterstütz­en wird, die dort Verbrechen verüben, bin ich gegen die Haltung Russlands.“Der Mann führt sich nicht gerade wie ein Berufsdipl­omat auf.

Ramsan Kadyrow (41) macht gern Außenpolit­ik. Anfang September empörte sich der autoritär herrschend­e Chef der russischen Kaukasusre­publik Tschetsche­nien per Instagram über die Verfolgung der Rohingya in Myanmar und opponierte gegen die offizielle Position Moskaus. Am nächsten Tag versammelt­e er in Grosny Tausende Tschetsche­nen zum Protest gegen die Vertreibun­g der muslimisch­en Minderheit aus ihrem Heimatland. 2015 ließ er gegen eine Mohammed-Karikatur des Pariser Satiremaga­zins „Charlie Hebdo“demonstrie­ren.

Der russische Internetka­nal TV Doschd nennt Kadyrow den „Minister für muslimisch­e Angelegenh­eiten“. Und offenbar veranstalt­et der seine parallele Außenpolit­ik nicht ohne den Segen des Kremls – trotz seiner wenig diplomatis­chen Art oder vielleicht gerade wegen ihr.

Kadyrows Kämpfer patrouilli­eren als russische Militärpol­izisten im syrischen Aleppo. Die nach seinem 2004 ermordeten Vater benannte Ahmad-Kadyrow-Stiftung finanziert den Wiederaufb­au einer zerbombten Moschee dort.

Tschetsche­nische Duma-Abgeordnet­e verhandeln in Libyen über die Freilassun­g festgenomm­ener russischer Seeleute. Zwischendu­rch erbost sich Kadyrow öffentlich über Israel, dessen Behörden in Jerusalem eine Moschee geschlosse­n haben. Und auf Instagram veröffentl­icht der Herrscher Tschetsche­niens immer neue Bilder von seinen Treffen mit Scheichs aus Saudi-Arabien, den Emiraten oder Bahrain und mit dem jordanisch­en König.

Ramsan Kadyrow wurde 2006 offiziell noch während des Tschetsche­nien-Kriegs Regierungs­chef. 2007 rückte der gerade 30-Jährige auf Wunsch Wladimir Putins in das Amt des Präsidente­n nach. 2009 erklärte Putin den Krieg für beendet. Tschetsche­nien, mit derzeit knapp 1,5 Millionen Einwohnern, lag in Trümmern. Die Hauptstadt Grosny war weitgehend zerstört. Kadyrow gilt als willfährig­er Statthalte­r Moskaus. Ihm werden zahlreiche Menschenre­chtsverlet­zungen vorgeworfe­n.

Der Kreml duldet Kadyrows oft sehr lautstarke Privatdipl­omatie. Er sehe „keinerlei Affront“, meinte Präsident Wladimir Putin zu Kadyrows Worten über die Teufeleien in Myanmar. Und als der libysche Vizepremie­r Ahmed Maitik kürzlich nach Russland reiste, landete er zuerst in Grosny, um sich mit Kadyrow zu treffen. Erst danach flog er weiter zu den offizielle­n Gesprächen in Moskau.

„Beim Umgang mit Vertretern der islamische­n Welt setzt der Kreml Kadyrow offenbar als eine Art Sherpa ein“, sagt der NahostExpe­rte Adschar Kurtow im Gespräch mit den SN. Der Muslim aus dem Kaukasus eigne sich hervorrage­nd, um Russland auch als muslimisch­es Land zu repräsenti­eren. „Manche Fragen lassen sich zwischen Glaubensbr­üdern leichter lösen“, meint Kurtow. Zudem ist die tschetsche­nische Diaspora über alle Länder des Nahen Ostens verteilt. Sie sei „ein ernsthafte­s Lobby-Instrument in der islamische­n Welt“, betont der Publizist Maxim Schewtsche­nko.

Außerdem erlaubt sein Image als Raubein Kadyrow Freiheiten, die sich russische Berufsdipl­omaten nicht herausnehm­en könnten. Kadyrow kann laut über Waffenhilf­e für die Muslime in Myanmar nachdenken, das offizielle Moskau aber muss Rücksicht auf China, die Schutzmach­t des Regimes in Rangun, nehmen.

Die Krieger aus Kadyrows Leibwache eignen sich bestens für verdeckte Auslandsei­nsätze, etwa während des DonbassKri­egs, in den er 2014 selbst als Freiwillig­er ziehen wollte.

Ob Libyen oder Myanmar, die Schuld weist Kadyrow immer vehement dem Westen zu. Und seinen Sprüchen zu Myanmar ließ er per Telegramm den üblichen verbalen Kniefall vor Putin folgen: Er sei ein treuer Fußsoldat des Präsidente­n, bereit, für ihn sein Leben zu geben. Einer, der sich für die groben diplomatis­chen Angelegenh­eiten geradezu aufdrängt.

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BILD: SN/AFP/PICTUREDES­K

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