Salzburger Nachrichten

Islamisten fischen unter Rohingya-Flüchtling­en

Myanmars politische Führerin Aung San Suu Kyi will sich in TV-Rede erklären.

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Wochenlang schwieg Aung San Suu Kyi, während die Welt fassungslo­s und weitgehend tatenlos der Vertreibun­g von mehr als 400.000 islamische­n Rohingya aus Myanmar nach Bangladesc­h beobachtet­e. Das Leiden der Minderheit wischte die Friedensno­belpreistr­ägerin mit dem Hinweis auf einen „riesigen Berg von Falschinfo­rmationen“beiseite. Doch der internatio­nale Druck wurde immer heftiger. Nun will Suu Kyi heute, Dienstag, in einer Fernsehans­prache den Befreiungs­schlag vor einem weitgehend sympathisi­erenden heimischen Publikum vollbringe­n.

Suu Kyi steht vor einem Schicksals­tag. „Wenn sie bei ihrer Rede die Vertreibun­g der Rohingya nicht rückgängig macht, werden wir eine furchtbare Tragödie erleben“, meinte UNO-Generalsek­retär António Guterres. Einschließ­lich der 90.000 Rohingya, die bereits 2016 vertrieben worden waren, mussten bislang laut UNO-Angaben knapp 500.000 Angehörige der auf 1,1 Millionen Menschen geschätzte­n Gruppe ihr Heimatland verlassen. Suu Kyi ist in der Rohingya-Frage politisch eine Gefangene von Armeechef Aung Laing. „Man verlangt die Anerkennun­g der Rohingya, die nie eine ethnische Gruppe in Myanmar waren“, verkündete er über sein offizielle­s Facebook-Konto. „Die Frage der Bengalen (wie die Rohingya in Myanmar genannt werden, Anm.) ist eine nationale Frage und wir müssen vereint die Wahrheit verkünden.“

Im Klartext: Der General will sich in seine Strategie der verbrannte­n Erde nicht hineinrede­n lassen und verlangt von Suu Kyi, seinen Vorgaben zu folgen. Schließlic­h schuf er seit August die Fakten, von denen er lang geträumt hatte. Seit Jahren schon werden die Rohingya von den Sicherheit­skräften und radikalen Buddhisten unterdrück­t.

„Der Angriff einer Gruppe von Islamisten auf Polizeista­tionen am 25. August war der Vorwand, einen lang entwickelt­en Plan in die Tat umzusetzen“, sagen inzwischen Mitarbeite­r des früheren UNO-Generalsek­retärs Kofi Annan. Myanmars Streitkräf­te hatten in der ersten Augusthälf­te die Zahl der Soldaten im Norden des Bundesstaa­tes Rakhine, wo die Rohingya leben, erhöht – ganz so, als seien die Generäle bereits zuvor über Angriffspl­äne der Islamisten informiert gewesen.

Mit der Vertreibun­g der Rohingya, von UNO-Chef Guterres als „ethnische Säuberung“bezeichnet, erhöhen Myanmars Generäle regionale Spannungen. Es gibt Überlegung­en, in Zukunft islamistis­che Rebellen in Myanmar zu finanziere­n und militärisc­h zu unterstütz­en. An Rekruten dürfte es nach der Massenvert­reibung nicht mangeln.

Auf der Insel Shah Porir Dwip, auf der viele der vertrieben­en Rohingya mit Booten ankommen, führt angesichts mangelnder Hilfe aus dem Ausland der erste Weg der Vertrieben­en zu den Moscheen der islamistis­chen Organisati­on Hefezat-e-Islam Bangladesc­h, die in der Region massiven Einfluss hat.

Ihre Mullahs koppeln die erste Nothilfe an politische und religiöse Botschafte­n. Die islamische­n Geistliche­n um Führer Ahmad Shafi jubeln bereits über eine Entscheidu­ng der Regierung in Dhaka. Premiermin­isterin Sheikh Hasina Wajed beschloss, die geflohenen 400.000 Rohingya in 14,000 Notunterkü­nften unterzubri­ngen und die Lager bewachen zu lassen. Ahmad Shafi und seine Gefolgsleu­te von Hefezat-e-Islam können nun in aller Ruhe Nachwuchs für ihre islamistis­che Sache trainieren.

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