Wilde Sixties mit ernstem Touch
Wieder ein fulminantes Musicalerlebnis: Linz versprüht „Hairspray“.
LINZ. Die Oper muss noch warten. Erst Ende des Monats stemmt Markus Poschner, der neue Chefdirigent des Bruckner-Orchesters Linz (das sich jetzt marketingfit BOL nennt), die kapitale Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“. Zuvor gibt es in der kleinen BlackBox Barockes zum Aufwärmen – Cavallis rare „La Rosinda“, gemischt aus Alte-Musik-Spezialisten der Bruckner-Universität, Mitgliedern des Opernstudios und Stammkräften des Linzer Landestheaters.
Und so ist die Bahn frei für eine neue, fulminant geglückte MusicalShow. Diese Abteilung des Linzer Musiktheaters bleibt weiterhin das Atout des Hauses. Also versprüht „Hairspray“brillantes BroadwayFlair dank Matthias Davids’ nie erlahmender szenischer Fantasie, einem tänzerisch, sängerisch und darstellerisch entfesselten (und dabei hochpräzisen) Ensemble, einer blitzschnell wandlungsfähigen Bühne (Hans Kudlich) mit schrägschrillen Kostümen (Leo Kulaš), mitreißender Choreografie (Dennis Callahan) und makellosem Lichtdesign (Michael Grundner). Das Thema, für das Tracy Turnblad (großartig in der Rolle aufgehend: Ariana Schirasi-Fard) sich die Seele aus dem Leib singt, spielt und tanzt, ist ernst: Rassentrennung und hochtoupiertes Schönheitsideal, dem der pummelige Backfisch Tracy so gar nicht entspricht. Dennoch schafft es der Teenager – wir schreiben Baltimore 1962 – in die lokale Corny Collins Show, in der die superblonde Amber van Tussle (Hanna Kastner) und ihre beinharte Produzentin-Mutter Velma (Anais Lueken) das Sagen und letztlich doch das Nachsehen haben. Nebenbei gewinnt Tracy das eh nur halbherzige Herz des Elvis-verschnittenen Stars Link Larkin (Gernot Romic), und ihre Underclass-Eltern (Riccardo Greco in der umwerfenden, von Divine und John Travolta geadelten „Kittelrolle“der Mutter und Rob Pelzer als rührend weltoffener Papa) dürfen jede Menge gewitzter Herzlichkeit verströmen. Und natürlich ist der schwarze „Vortänzer“Seaweed in Gestalt des hinreißend gelenkigen Dinipri Etebu an der Seite der Recordstore-Besitzerin Motormouth Maybelle (Amanda Whitford) eine Nummer für sich, bis happy-endlich die neuen Zeiten nicht mehr aufzuhalten sind und „the Beat“nicht mehr gestoppt werden kann. Die SixtiesMischung aus Rock, Twist und Schmusepop rührt Bandleader Tom Bitterlich unwiderstehlich an und auf – und am Ende fährt das alles in die Beine und (Applaus-)Hände: Standing Ovations. In Linz kann man wieder einmal Musical vom Feinsten „lernen“. Musical: „Hairspray“. Linzer Musiktheater, bis Mai 2018.