Die Alpen werden wieder hip
Sie kommen „mit Jeans und Laptop“aus der Stadt und ziehen in verödete Gebirgsregionen: Die „New Highlander“schätzen billige Grundstücke und sehnen sich nach Selbstverwirklichung.
Alle reden von Landflucht. Dabei gibt es auch noch einen aktuellen gegenläufigen Trend: die Migration aus der Stadt ins Gebirge. Ein Team der Universität Innsbruck untersuchte mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF die Wanderungsbewegungen der „New Highlander“in den Alpen. „Die Stadtflucht ist häufig längerfristig, betrifft verschiedene Gruppen und ist durch niedrige Grundstückspreise in peripheren Gebieten für viele Menschen erschwinglich“, sagt Ernst Steinicke, Studiendekan der Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften.
Ein wachsender Anteil der Weltbevölkerung – bereits mehr als die Hälfte – lebt heute in Städten. Im Vergleich dazu überaltern ländliche Gebiete und Bergdörfer, ehemals gepflegte Kulturlandschaften wachsen zu. Diese Entwicklung muss aber keine Einbahnstraße sein. Steinicke und sein Team haben Gegenbewegungen erforscht. Immer mehr Menschen schätzen Annehmlichkeiten wie Sicherheit, Abgeschiedenheit und landschaftliche Reize und erwerben einen zweiten Wohnsitz außerhalb der Stadt.
„Begonnen hat diese Entwicklung in Frankreich, Italien ist dem Beispiel gefolgt und auch in Slowenien gibt es diese neuen Bergbewohner“, sagt Steinicke. Wobei die Zuzügler nicht als Eindringlinge, sondern als Impulsgeber erlebt werden. „Sie engagieren sich im kulturellen Leben und sind in die Dorfgemeinschaft integriert.“Und die von den Jungen, die „mit Jeans und Laptop“anreisen, geleistete Pflege der Kulturlandschaft wird von den Einheimischen geschätzt. „Schon ein bis zwei neue Landwirte in einem Dorf können die Lage in Sachen Hochwasserschutz und Rutschungen verbessern“, betont der Innsbrucker Wissenschafter.
Viele „New Highlander“brauchen Computer und Internetverbindung, weil sie vom zweiten Wohnsitz aus arbeiten wollen. Auch akzeptable Verkehrsbedingungen seien Voraussetzungen für jene, die der neuen Landliebe frönen. „Im Friaul haben wir echte Ghost Towns gefunden, verlassene Dörfer, die neu besiedelt wurden.“Manche Orte hätten sich, sagt Ernst Steinicke, von einstelligen zu dreistelligen Einwohnerzahlen gesteigert. Noch nicht erfasst von dieser positiven Wanderungsbewegung ist der Ostalpenrand in Österreich – die Steiermark, das südliche Niederösterreich und Kärnten. „Da gibt es stark bewaldete Regionen, außerdem gibt es viel Großgrundbesitz: Da tut sich dann zwangsläufig nicht viel.“
Untersucht wurden vom Forscherteam insgesamt 70 Gegenden mit starker Zu- und Abwanderung in Slowenien, Frankreich, Italien und Osttirol. Neben den „New Highlandern“gebe es noch die Gruppe der „New Farmers“: Junge Menschen ohne agrarischen Hintergrund, die ihren Traum von Selbstversorgung und Sinnsuche verwirklichen wollen.
„Verlassene Dörfer werden neu besiedelt.“Ernst Steinicke, Institut für Geografie