Lehrlinge sind heiß begehrt
Die positive wirtschaftliche Entwicklung animiert die Betriebe, wieder vermehrt auszubilden. Die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr steigt. Aber es ist nicht alles eitel Wonne.
Wirft man im Gespräch mit Arbeitgebern das Wort Lehre in den Raum, folgt vor allem eines: Ernüchterung. „Ich hab gerade zwei neue Lehrlinge eingestellt, vier hätte ich locker nehmen können“, sagt Peter Buchmüller, Adeg-Kaufmann in Hof und Großgmain sowie Handelsobmann in der Wirtschaftskammer Österreich. „Es ist extrem schwierig, gute Lehrlinge für unseren Beruf zu finden“, bestätigt Wolfgang Eder, Bundesinnungsmeister der Friseure, der zwei Salons in Salzburg und Obertrum führt.
Dabei finden sich gerade diese beiden Berufe nach wie vor unter den Top 3 der beliebtesten Lehrberufe. Doch auch für sie gilt: Die Zahl der Lehrlinge ist in den vergangenen Jahren insgesamt stark gesunken. 106.950 Lehrlinge zählte man in Österreich Ende des Vorjahres, über 130.000 waren es noch 2008. Zwar hat man die Talsohle der geburtenschwachen Jahrgänge nun hinter sich gelassen, doch Ausbildung wird heute anders gesehen als früher, als noch jeder zweite Jugendliche in die Lehre ging. Längst hat sich das Verhältnis in 60:40 gewandelt – zugunsten der Schulen.
Ganz von sich weisen kann aber auch die Wirtschaft die Schuld nicht: Zählte man in Österreich vor zehn Jahren noch etwas über 39.000 Ausbildungsbetriebe, sind es heute um mehr als 10.000 weniger. Viele der verbliebenen Ausbildner haben sich zuletzt mächtig ins Zeug geworfen, um den Kampf um die besten Jugendlichen für sich zu entscheiden. Mit Lehre mit Matura wirbt man ebenso wie mit GratisFührerschein oder Tablet für erfolgreiche Lehrlinge. Auch die Lehrlingsentschädigung wurde zuletzt nicht nur im Handel und bei den Friseuren erhöht – damit will man gegenüber besser zahlenden Branchen wie der Industrie punkten.
„Was noch fehlt, ist ein generelles Umdenken, dass die Lehre etwas Gutes ist“, sagt Buchmüller. Schließlich werde Österreich mit dieser Form der dualen Ausbildung in Betrieb und Schule weltweit in vielen Ländern als Vorbild genannt.
Zumindest hellt sich die Stimmung auf. „Wir haben zwar noch nicht die Trendwende geschafft, aber den Abwärtstrend gestoppt“, sagt Friseurmeister Eder. Im Vorjahr ging die Anzahl der Lehrlinge in allen Branchen nur noch um 2,7 Prozent zurück. „Bei den Friseuren dürften wir heuer die Zahl halten können.“
Mehr Lehrlinge bringen könnte die zuletzt eingeführte Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 Jahre. „Die Lehre steht hier als eine der möglichen Ausbildungen sicher im Fokus“, sagt Anton Költringer, stellvertretender Leiter des Arbeitsmarktservice (AMS) in Salzburg. Wie viele potenzielle Lehrlinge das bringen könnte, sei noch schwer zu sagen. Betreffen würde die Ausbildungspflicht ab sofort nur Jugendliche, die unter 18 Jahre alt sind und mit Juli 2017 die Schule beendet haben. Für Salzburg rechne er mit einer „niedrigen dreistelligen“Zahl. Dass das, wie manche befürchten, erst recht nur schlecht Qualifizierte, die sonst einen Hilfsjob gewählt hätten, zur Lehre bringt, erwartet Költringer nicht. „Nur zu jammern, dass die Jugendlichen immer schlechter werden, greift zu kurz. Auch die Betriebe fordern mehr.“
Regional gebe es große Unterschiede, was die Zahl der Lehrstellensuchenden und jene der offenen Stellen betrifft, betont Költringer. Kamen in Salzburg (ähnlich wie in Tirol) im ersten Halbjahr im Schnitt 305 Lehrstellensuchende auf 666 offene Stellen, sei das Verhältnis österreichweit umgekehrt: Hier standen 5170 Suchende nur 4080 offenen Stellen gegenüber. Massiver Ausreißer ist Wien, wo im ersten Halbjahr 1726 Suchende auf nur 360 offene Stellen kamen. Grund sei nicht nur ein Stadt-Land-Gefälle – gerade in städtischen Gebieten ist der Trend ins Gymnasium stärker –, sondern vor allem der Tourismus. Von den Ende August gemeldeten 864 offenen Lehrstellen in Salzburg waren 415 aus dem Tourismus.
Eine mangelnde Attraktivität der Branche sehen Experten aber nicht als Grund für die Lücke. „Die Zahl der Jugendlichen ist generell kleiner geworden, da kann man nicht erwarten, dass alle im Tourismus arbeiten“, sagt der Bildungsexperte in der Wirtschaftskammer Österreich, Alfred Freundlinger. Mittlerweile täten sich alle Branchen schwer, Nachwuchs zu finden, „selbst super Unternehmen in den Regionen mit gutem Ruf haben es nicht mehr einfach“.
Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist weiter gesunken – von im Vorjahr österreichweit noch 27.584 auf heuer 27.010. Parallel dazu hat die positive wirtschaftliche Entwicklung die Zahl der Ersteintritte in die Lehre steigen lassen. Die Betriebe bilden Fachkräfte wieder vermehrt selbst aus. Mit Ende August hatten die Unternehmen 29.014 Lehrlinge im 1. Lehrjahr in Ausbildung, das ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von 3,4 Prozent. Die überbetriebliche Ausbildung dazugezählt, gab es ein Plus von 2,2 Prozent oder 32.776 Lehrlinge im 1. Lehrjahr.
Erst am Beginn steht die Integration der Migranten aus der Flüchtlingswelle in die Lehrausbildung. „Es ist relativ zäh, aber es tut sich etwas“, beschreibt Bildungsexperte Alfred Freundlinger den Status quo und berichtet von einem Wiener Friseur, der vergeblich einen Lehrling suchte. „Dann hat er einen jungen Syrer genommen, und der macht sich tadellos.“
„Selbst Unternehmen mit gutem Ruf haben es nicht mehr leicht.“Alfred Freundlinger, WKÖ