Der Druck scheint Vettel zu lähmen
Es wird unangenehm für Sebastian Vettel. Seit der Sommerpause verlor der Ferrari-Star in drei Rennen 42 Punkte gegen Lewis Hamilton.
Die mitternächtliche Feierlaune bei Mercedes muss für Sebastian Vettel nach dem Totalausfall von Singapur unerträglich gewesen sein. Vor dem Formel-1Motorhome der Silberpfeile wurde laut gesungen. Für den Rückflug nach Europa mit Sieger und WMSpitzenreiter Lewis Hamilton an Bord der Maschine von MercedesOberaufseher Niki Lauda kündigte Teamchef Toto Wolff Party mit alkoholischen Getränken an.
Die Mitglieder der Ferrari-Crew packten derweil nach der offen gebliebenen Schuldfrage für den kapitalen Crash beider roter Rennwagen mit bitterernsten Mienen die Reste eines erinnerungswürdigen Wochenendes ein. „Der Kampf ist noch nicht vorbei, er wird nur schwieriger“, meinte Teamchef Maurizio Arrivabene. Mit dem „springenden Pferd im Herzen“werde man aber bis zur letzten Kurve im letzten Rennen kämpfen.
Was ihn, Vettel und die gesamte Scuderia nach der rund zwölfstündigen Rückreise erwartet, kann man sich ausmalen. Vettel, der erst einmal heim in die Schweiz flog, wird sich weiter den Fragen nach einer Mitschuld an dem fatalen Unfall nach wenigen Metern stellen müssen. Daran ändert auch nichts, dass die Rennkommissare weder den von Pole nur mäßig gestarteten Deutschen noch dessen Teamkollegen Kimi Räikkönen noch Max Verstappen von Red Bull für den Unfall hauptverantwortlich machten.
„Fünf Sekunden, die Sebastian Vettel nie vergessen wird – und die seinen Traum vom Weltmeistertitel beenden können“, unkte die italienische Tageszeitung „La Stampa“am Montag. Die Stimmung von Vettels Oberboss Sergio Marchionne dürfte nach der „Katastrophe aller Katastrophen“(„Gazzetta dello Sport“) auf einem neuen Tiefpunkt sein. Nach dem verlorenen Heimrennen in Monza, wo Vettel immerhin noch auf Platz drei gekommen war, hatte er bereits gegiftet: „Wir haben versagt.“
Aus der geforderten Revanche wurde am Sonntag im verregneten Singapur ein maximales Desaster – die Alarmglocken dürften ohrenbetäubend laut schrillen in Maranello. „La Repubblica“sah bereits den „roten Sonnenuntergang“: „Nachdem Ferrari sein 70. Firmenjubiläum gefeiert hat, kehrt man zur bitteren Realität zurück.“
Erst zum zweiten Mal in elf Jahren kamen beide Ferrari nicht ins Ziel und Vettels Rückstand im Klassement auf Hamilton wuchs auf 28 Punkte. Der 32 Jahre alte Brite war vor seinen drei Siegen nacheinander in Belgien, Italien und Singapur noch 14 Zähler hinter Vettel gelegen. Und nun kommen im Gegensatz zum engen Stadtkurs von Singapur vermeintliche Paradestrecken für Hamiltons Mercedes. 15 der letzten 17 Rennen in Malaysia, Japan, Mexiko, den USA, Brasilien und Abu Dhabi entschieden die Silberpfeile für sich.