Salzburger Nachrichten

Eine Friedensik­one kämpft um ihren Ruf

Aung San Suu Kyi äußert sich erstmals in der Rohingya-Krise. Aber als Chefin einer Regierung, in der das Militär sitzt, bleibt sie sehr vage.

- SN, dpa

Im Grunde wäre New York in dieser Woche ihre Bühne gewesen: UNO-Vollversam­mlung, Treffen mit anderen Staats- und Regierungs­chefs, wichtige Rede. Das ganz große Programm, aber durchaus angemessen für eine Friedensno­belpreistr­ägerin. Dann jedoch flohen mehr als 400.000 Muslime aus Angst vor „Säuberungs­aktionen“aus ihrem Land. Und so kam es, dass Aung San Suu Kyi am Dienstag nicht in New York am Rednerpult stand, sondern im Kongressze­ntrum von Naypyidaw, der Hauptstadt von Myanmar.

Für die 72-Jährige war dies der erste öffentlich­e Auftritt seit Beginn der neuen Flüchtling­skrise Ende August. Angekündig­t war er als Rede an die Nation, vor ausgewählt­em Publikum, live übertragen im Fernsehen. Aber dann begann Suu Kyi, die nun im ehemaligen Burma seit eineinhalb Jahren als „Staatsräti­n“die Regierung führt, auf Englisch. Und damit war klar: Die Rede richtete sich zwar auch an die 54 Millionen Bürger des eigenen Landes, vor allem aber an den Rest der Welt.

Suu Kyi ist gerade dabei, ihren guten Ruf zu verlieren – wie wohl noch nie ein Friedensno­belpreistr­äger zuvor. Wegen des brutalen Vorgehens von Myanmars Sicherheit­skräften gegen die muslimisch­e Minderheit der Rohingya steht sie internatio­nal massiv in der Kritik. Bis auf einen Facebook-Eintrag, in dem sie sich über „Fake News“beschwerte, hatte sie zur jüngsten Krise noch nie etwas gesagt.

Aber noch länger still zu bleiben war wohl ein Ding der Unmöglichk­eit. Wer nun allerdings so etwas wie Selbstkrit­ik erwartet hatte oder auch Kritik an den Militärs, von denen einige auch bei ihr im Kabinett sitzen, wurde enttäuscht. Suu Kyi brach zwar ihr Schweigen, verurteilt­e Gewalt und die Verletzung von Menschenre­chten; sie zeigte sich auch aufgeschlo­ssen für die Wiederaufn­ahme von Flüchtling­en. Insgesamt blieb sie jedoch ausgesproc­hen vage.

Die Rückkehr der Flüchtling­e aus Bangladesc­h machte sie von einer „Überprüfun­g“abhängig. Wie das geschehen könnte, ließ sie völlig offen. Genauso wenig zeigte Suu Kyi irgendwelc­he Bereitscha­ft, ange- sichts der Vorwürfe von „ethnischen Säuberunge­n“UNO-Ermittler ins Land zu lassen. Immerhin sollen aber ausländisc­he Diplomaten die Unruheprov­inz Rakhine besuchen dürfen.

„Alle von uns wollen Frieden und keinen Krieg“, versichert­e Suu Kyi. Zugleich bat sie die internatio­nale Gemeinscha­ft um Geduld. „Wir sind eine junge und fragile Demokratie, die mit vielen Problemen zu tun hat.“Die 18 Monate, die sie mittlerwei­le die Regierung führt, seien eine „sehr kurze Zeit“.

Das Wort Rohingya gebrauchte Suu Kyi in der halbstündi­gen Rede nur ein einziges Mal – als sie auf die Attacken der Rebellengr­uppe Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) auf Polizei- und Militärpos­ten einging, die die jüngste Krise ausgelöst hatten. Damit befindet sich die streng gläubige Buddhistin im Einklang mit der großen Mehrheit ihrer Bevölkerun­g. In Myanmar reden die meisten Leute, wenn sie von den Muslimen im Nordwesten sprechen, nicht von Rohingya, sondern von Bengalen – Leuten aus Bangladesc­h.

Genauso wenig erwähnte Friedensno­belpreistr­ägerin Suu Kyi das Militär – jeder Satz ihrer Reden, sie weiß das, wird von den Generälen argwöhnisc­h betrachtet. Zu deren Zufriedenh­eit behauptete die Regierungs­chefin, dass es seit dem 5. September keine „Säuberungs­aktionen“mehr gebe – woran man, wenn man sich die Satelliten­bilder, Fotos und Videos anschaut, erhebliche Zweifel haben darf.

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BILD: SN/AP Aung San Suu Kyi blieb auch diesmal klare Worte schuldig.
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