Die alte Welt kann von den Jungen lernen
Traditionelle Unternehmen profitieren von Start-ups. Doch sie tun sich dabei schwer.
SALZBURG. Start-ups? Ich kann es nicht mehr hören. Derlei vernimmt man man derzeit oft – in traditionellen Unternehmen. Das ist ein Fehler. Denn weniger als ein Prozent aller Produkte und Dienstleistungen auf der Welt sind bislang digitalisiert. Das zeigt das Potenzial für junge, innovative technologiegetriebene Gründer. Und sie sind schon jetzt Job-Motoren.
Die Abwehrhaltung der Arrivierten hat einen Grund. Start-ups stellen ihre Geschäftsmodelle und ihren Erfolg in Frage. Dass die vermeintlichen Widersacher – hier die Start-ups, dort die traditionellen Unternehmer – keine sein müssen, sondern dass ihre Symbiose funktionieren kann, zeigen Beispiele.
Andreas Riegler kommt aus der alten Welt (Sony) und lebt als Managing Partner von Apex Ventures, einem Risikokapital-Fonds, der in einem ersten Closing zehn Millionen Euro eingesammelt hat, jetzt in der neuen Welt. „Ich habe die Seiten gewechselt, weil es schwierig ist, in großen Unternehmen Innovation voranzutreiben“, sagt Riegler. Den Traditionsunternehmen rät er, sich bei den Jungen deren Bewusstsein für die Dringlichkeit ihres Tuns anzueignen und diese in der Belegschaft zu implementieren. Auch dass Start-ups erst einmal minimal brauchbare, gerade noch zumutbare Produkte bei Kunden testen, hält Riegler für nachahmenswert.
Jochen Stich, Digital Innovation Manager bei der Porsche Holding Salzburg mit 35.000 Mitarbeitern, ergänzt, dass gerade dies für ein traditionelles Unternehmen wie seines, das der Perfektion verschrieben ist, ein Bruch in der Kultur sei.
Zu diesen Kulturbrüchen gehört auch, das Scheitern zu ermöglichen. „Wenn ich das nicht zulasse, finde ich keine Mitarbeiter für schwierige Projekte“, sagt Riegler. Daher fordert auch Stich in der Porsche Holding Mut zum Experimentieren ein. „Wir sehen, wie sehr sich Start-ups auf ihre Themen fokussieren, wir lernen dadurch, auch wenn sie Fehler machen.“
Start-up-Begleiter Riegler zählt Künstliche Intelligenz neben der Blockchain und Energiespeicherung (siehe Bericht unten) zu den großen Themen der Zukunft. Dennoch macht ihn der 58 Zentimeter kleine Roboter, der während des Interviews neben ihm steht, unruhig. Tatsächlich schaltet sich der humanoide Nao immer wieder ins Gespräch ein: zwar mit unzusammenhängenden Äußerungen, befremdlich ist es allemal. Warum Nao derartige Reaktionen auslöst, erklärt Karl Heisler, IBM-Salzburg-Chef und Gastgeber des gestern, Dienstag, stattfindenden Business-Frühstücks zum Thema „Bewährtes mit Neuem verbinden“: Nao sei mit IBM-Watson-Technologie, einem Programm mit künstlicher Intelligenz, ausgerüstet, und reagiere auf Augenkontakt sowie Gefühlsregungen der Menschen um ihn. IBM bringt Unternehmer, Manager und Entscheidungsträger zu derart kontroversiellen Themen zusammen, „weil wir Treiber bei Business-Plattformen sein wollen“, sagt Heisler. Dazu gehöre, dass Spieler der Wirtschaft Informationen über Entwicklungen offen austauschen.
Das tat auch Innovationsmanager Stich. Man habe sich in der Porsche Holding unter anderem mit „Porsche Innovation Engine“auf den Weg gemacht, „wir tasten uns an Start-ups heran“. Engine sei ein Zusammenschluss von Interessierten, sagt er und zitiert eine Studie, wonach 82 Prozent der Führungskräfte in Unternehmen Digitalisierung befürworten, aber nur zwölf Prozent davon darauf vorbereitet sind. Stich versteht das auch als Auftrag zur Weiter-Qualifizierung.
Die Porsche Holding veranstaltet unter anderem Hackathons und kooperiert mit Start-ups. „Wir merken, es geht nicht mehr allein. Seit 70 Jahren sind wir sehr erfolgreich und leiten daraus ab, dass wir unsere Kunden kennen, aber die haben sich verändert“, sagt der erfahrene Manager. Der Transformationsprozess im Unternehmen sei schwierig, gibt Stich offen zu.
Wenn man Mitarbeiter in Werkstätten habe und Kreative, die in einer netten Umgebung völlig anders und sehr frei arbeiteten, dann erzeuge das auch negative Gefühle. Dass Projekte wie ein InnovationsLabor mit der Fachhochschule aber tatsächlich etwas bringen, zeigt sich daran, dass 60 Prozent der Projektmitarbeiter bei der Porsche Holding angestellt wurden.
„Wir müssen das Scheitern zulassen.“