Gerüchte um Ryanair brodeln
Enfant terrible Michael O’Leary versenkt mit Flugstornos Millionen Euro und vergrämt Passagiere. Sorgen um Pünktlichkeit und Pilotenurlaube will ihm keiner glauben. Steckt Air Berlin dahinter?
WIEN, SALZBURG. Österreich ist vom Streichkonzert bei der Ryanair vorerst nicht betroffen. Derzeit fliegt die irische Billig-Airline nur von Salzburg und Linz je eine Verbindung nach London-Stansted. Ryanair hat nach heftiger Kritik von Kunden und aus Brüssel eine vollständige Liste mit rund 2000 Flugstreichungen bis Ende Oktober veröffentlicht, davon mehr als 700 in Italien. Kunden würden per E-Mail benachrichtigt, teilt die Airline mit.
Ryanair begründet die drastische Maßnahme mit einer angestrebten Verbesserung der Pünktlichkeit. Zudem sollten Piloten und Crew bis Jahresende ihre angehäuften Urlaubstage abbauen können. Ryanair-Chef Michael O’Leary entschuldigt sich bei den Fluggästen, man habe bei der Urlaubseinteilung Fehler gemacht. „Das ist ein selbst verschuldetes Chaos“, räumte der Airline-Chef ein. Das ungewohnte Schuldeingeständnis sowie hohe Kosten – bis zu 20 Mill. Euro Entschädigungen und bis zu fünf Millionen Euro weniger Gewinn – lösten aber Spekulationen über andere Ursachen aus.
Die deutsche Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit vermutet Personalmangel, „weil Piloten das Weite suchen“– wegen hoher Beanspruchung bei vergleichsweise wenig Gehalt. O’Leary weist das zurück, man habe ja den dichten Sommerflugplan voll fliegen können.
Seit Tagen kursiert in der Branche das Gerücht, Ryanair könnte auf einen baldigen Stopp des Flugbetriebs bei Air Berlin spekulieren. In dem Fall würden frei werdende Start- und Landerechte (Slots) kurzerhand an Airlines vergeben, sofern sie diese bedienen können.
Eine andere Meinung vertritt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Auf Verdacht Flugzeuge freizustellen für die vage Möglichkeit eines vorzeitigen „Grounding“ der Air Berlin – das würde nicht der Sparefroh-Mentalität eines O’Leary entsprechen. Wahrscheinlicher sei, dass die schnell wachsende Fluglinie bei den erlaubten Einsatzzeiten – 900 Flugstunden jährlich – mit Sonderschichten ans Limit gegangen sei. Doch damit wäre ein weiterer Einsatz illegal. Kein Wunder: „Einsatzplanung ist so kompliziert wie vierdimensionales Schach“, sagt der deutsche Experte.
Europas größter Billigflieger erzielte zuletzt 6,6 Mrd. Euro Jahresumsatz und war mit rund 1,3 Mrd. Euro Gewinn hochprofitabel. Mehr als ein Viertel des Geschäfts entfiel auf Zusatzgebühren für Gepäck, Platzreservierungen oder Imbisse.
Ryanair ist dafür bekannt, dass sie ihr Personal vergleichsweise schlechter bezahlt, aber trotzdem an die Kandare nimmt. In einem Rechtsstreit aus Belgien erlitt der Billigflieger erst jüngst einen kräftigen Rückschlag. Der Europäische Gerichtshof verwarf die Argumentation von Ryanair, für ihr Personal seien nur irische Gerichte zuständig. Entscheidend sei vielmehr, von welcher Heimatbasis die Beschäftigten ihre Arbeit machten.
Sechs Beschäftigte von Ryanair und der für Personalschulung zuständigen Firma Crewlink hatten nach Kündigung ihrer Dienstverhältnisse Entschädigungen eingeklagt. Es dauerte fünf Jahre, bis der Fall zum EU-Gerichtshof gelangte. Die Angestellten aus Spanien, Portugal und Belgien waren auch verpflichtet, im Umkreis von einer Stunde Anreise zum Flughafen Charleroi zu wohnen. Den Fall muss nun die belgische Justiz prüfen.
„Haben das Chaos selbst verschuldet.“