Stammzellen „sprechen“mit anderen Zellen des Gewebes
Wiener Genetiker haben einen Mechanismus entdeckt, der erklärt, wie sich bei der Stammzelltherapie Tumoren bilden.
Stammzellen kontrollieren die Zellen in ihrer Umgebung und veranlassen sie, bestimmte Funktionen zu übernehmen. Dieses weltweit nun erstmals entdeckte Phänomen der „Sprache der Stammzellen“beschreiben die Wissenschafter des Teams von Markus Hengstschläger vom Institut für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien.
Die Forscher konnten zeigen, dass humane pluripotente Stammzellen mit anderen Zellen kommunizieren, indem sie Signalproteine aussenden. Diese Signale aktivieren Zellen aus dem nahe liegenden Gewebe dazu, durch den Körper zu wandern, um an anderen Stellen bestimmte Funktionen auszuüben. „Es ist sehr faszinierend zu beobachten, wie groß die durch die Stammzellen ausgelösten Veränderungen auf die Zellen des Organismus sind“, meint Margit Rosner, die Erstautorin der Publikation.
Zur Erklärung: Etwa fünf Tage nach der Befruchtung entwickelt sich die Blastozyste, die sich normalerweise in der Gebärmutter einnistet. Aus diesem Stadium werden embryonale Stammzellen gewonnen. Aus solchen embryonalen Stammzellen kann sich jedes menschliche Gewebe entwickeln, aber kein vollständiger Mensch mehr. Daher bezeichnet man sie als pluripotent. Im Labor können Stammzellen hergestellt werden, die sich ähnlich wie pluripotente embryonale Zellen verhalten.
In vielen internationalen klinischen Studien wird versucht, über den Einsatz solcher pluripotenter Stammzellen neue Therapien für etwa Herzinfarkt, Krebs, neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer, Diabetes oder auch für eine Vielzahl verschiedener seltener genetischer Erkrankungen zu entwickeln. Das Grundprinzip dabei ist, aus diesen Stammzellen im Labor bestimmte Zellen des Menschen herzustellen, um diese dann dem Patienten zu transplantieren mit der Hoffnung, geschädigte Gewebe oder Organe zu regenerieren und ihre Funktion wieder herzustellen. Ein altbekanntes und bisher ungelöstes Problem dabei ist allerdings, dass pluripotente Stammzellen auch Tumoren bei den Patienten bilden können.
Die Wiener Forscher konnten jetzt erstmals zeigen, dass Stammzellen über ihre eigene „Sprache“normale Zellen aus dem umliegenden Gewebe des Körpers anlocken müssen, um solche Tumoren bilden zu können. Die als Nebeneffekte der Stammzelltherapie so gefürchteten Tumoren sind also immer eine Symbiose zwischen den Stammzellen selbst und rekrutierten Zellen aus dem umliegenden normalen Gewebe. Damit ist es in dieser Studie außerdem gelungen, den zugrunde liegenden molekularen Mechanismus zu entschlüsseln. „Wir konnten zeigen, dass das Blockieren dieses Mechanismus die Entstehung von Stammzelltumoren effizient hemmen kann“, sagt Markus Hengstschläger, Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik.
Die Entdeckung dieser Eigenschaft von Stammzellen ist ein wichtiger Schritt zur therapeutischen Anwendung von pluripotenten Stammzellen am Menschen.u.k.