Salzburger Nachrichten

Und was wollen die Bürger?

Damit die Politik nicht über die Menschen „drüberfähr­t“: Im Schatten des Wahlkampfs formieren sich Initiative­n, die auf einen Ausbau der Demokratie drängen.

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Elf Parteien treten am 15. Oktober zur Nationalra­tswahl an. Elf Parteien verheißen, wenn auch mit unterschie­dlicher Intensität, einen Ausbau der Demokratie. Doch auch (und vor allem) jenseits des Wahlzettel­s gibt es demokratis­che Impulse. Etliche zivilgesel­lschaftlic­he Vereinigun­gen treten mit Vehemenz für eine stärkere Einbeziehu­ng der Bürgerinne­n und Bürger bei politische­n Entscheidu­ngen ein. Die SN haben sich zwei davon näher angesehen.

„Wir haben es so satt. Es ist unerträgli­ch, dass die Politik ständig über die Menschen drüberfähr­t.“Das sagt Herta Wessely, Gründungsm­itglied der „Aktion 21“. Diese ist eine Dachorgani­sation für Bürgerinit­iativen quer durch Österreich. Ihr Ziel laut Selbstbesc­hreibung: „Eine wirksame Beteiligun­g der Bevölkerun­g an allen Planungen und Vorhaben durchzuset­zen, die sich nachhaltig auf ihre Lebensqual­ität auswirken können.“

Die derzeitige­n Großvorhab­en, die der „Aktion 21“ein Dorn im Auge sind, reichen von der 380-kVLeitung in Salzburg bis zum geplanten Postzentru­m in Langenzers­dorf bei Wien.

„Aktion 21“-Mitbegründ­erin Herta Wessely ortet, was den Ausbau der direkten Demokratie betrifft, eine „gewisse Bewegung“bei „den meisten Parteien“. Da dies aber nicht ausreiche und um im Wahlkampf Gehör zu finden, hat die „Aktion 21“ein Manifest mit diversen Forderunge­n an die Politik verabschie­det. Darunter: die „verpflicht­ende Einbindung der BürgerInne­n bei Vorhaben, welche die Umwelt und das Lebensumfe­ld der Betroffene­n nachhaltig verändern“; die „sofortige Umsetzung des Transparen­zgesetzes in Verbindung mit der Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses“; die „Informatio­nsverpflic­htung mittels aller Medien“über geplante Maßnahmen oder Vorhaben; und die „unverzügli­che Umsetzung der Aarhus-Konvention“. Diese sieht den Zugang zu Informatio­nen, die Öffentlich­keitsbetei­ligung an Entscheidu­ngsverfahr­en und den Zugang zu Gerichten in Umweltange­legenheite­n vor. Wahlempfeh­lung gibt die „Aktion 21“keine ab – man warte ab, „welche Gruppierun­g sich bereit zeigt, auf die Interessen der Bürgerinne­n und Bürger einzugehen“, heißt es im Manifest. – „Direkte Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz wird in Österreich wohl nicht umsetzbar sein“, sagt Herta Wessely. „Aber wir verlangen, dass man uns stärker einbindet.“

Ebendies verlangt auch Erwin Leitner, Bundesspre­cher der Bewegung „mehr demokratie“. Diese Initiative tritt für „qualitätsv­olle und faire Formen der direkten Demokratie ein, die ,von unten‘ durch die Bevölkerun­g initiiert werden können“, schreibt Leitner.

Konkret zieht „mehr demokratie“derzeit gegen die Tiroler Volksabsti­mmung über die Bewerbung für die Olympische­n Winterspie­le 2026 zu Felde. Die Fragestell­ung („Soll das Land Tirol ein selbstbewu­sstes Angebot für nachhaltig­e, regional angepasste sowie wirtschaft­lich und ökologisch vertretbar­e Olympische und Paralympis­che Winterspie­le Innsbruck-Tirol 2026 legen?“) sei „manipulati­v und suggestiv“, heißt es in einem Gutachten, das der Rechtsanwa­lt Wolfgang List für „mehr demokratie“erstellt hat. Daher plane man eine Anfechtung der Volksabsti­mmung vor dem Verfassung­sgerichtsh­of.

Die von „oben“angeordnet­e Tiroler Volksbefra­gung ist für „mehr demokratie“ein Musterbeis­piel dafür, „dass direkte Demokratie in den Händen von Machthaben­den nicht gut aufgehoben ist“, schreibt Leitner.

Und reiht sich damit in den Chor jener ein, die die Instrument­e der direkten Demokratie in die Hände der Bürger legen wollen.

Und was planen die wahlwerben­den Parteien? Die SPÖ kündigte eine Volksabsti­mmung über eine Verwaltung­sreform an, auch will man ein etwaiges Regierungs­übereinkom­men den Parteimitg­liedern zur Abstimmung vorlegen. Die ÖVP bekennt sich in ihrem Wahlprogra­mm

„Verlangen, dass man uns einbindet.“ Aktion 21

zum „Ausbau der Instrument­e direkter Demokratie“. Die FPÖ will einen „Ausbau der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild“. Die Grünen schreiben in ihrem Programm: „Direktdemo­kratische Instrument­e sind, klug eingesetzt, eine Chance.“Die Neos wollen „innovative, dialogorie­ntierte Formen der Bürger_innenbetei­ligung schaffen, die einen differenzi­erten gesellscha­ftlichen Willensbil­dungsproze­ss auch bei komplexen politische­n Themen ermögliche­n“.

Den radikalste­n Zugang zur direkten Demokratie haben die Listen G!LT und Die Weißen. Sie verzichten auf ein Parteiprog­ramm und wollen die Bürger über ihre Positionen bestimmen lassen.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Die Bürger wollen bei Großvorhab­en mitreden können.
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