Europas neuer Gigant aus Stahl
Die indische Tata-Gruppe und die deutsche Thyssenkrupp legen ihre Stahlsparten zusammen. Die Belegschaft kündigt Widerstand an und erhält Rückendeckung von der Regierung.
Die Manager von Europas Stahlkonzernen rufen wegen bestehender Überkapazitäten schon lange nach einer Marktkonsolidierung. Nun setzen der deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp und sein indischer Konkurrent Tata Steel einen großen Schritt.
Nachdem mehr als ein Jahr über ein Zusammengehen verhandelt wurde, verkündeten die Konzerne am Mittwoch, ihre Stahlsparten in Europa fusionieren zu wollen. Am neuen Unternehmen Thyssenkrupp Tata Steel sollen beide je zur Hälfte beteiligt sein. Die Gesellschaft soll ihren Sitz in den Niederlanden haben, der endgültige Vertrag Anfang 2018 unterzeichnet werden. Damit der Zusammenschluss wirksam wird, müssen noch die Kontrollgremien von Tata Steel und Thyssenkrupp zustimmen. Mit aktuell 34 Standorten würden künftig rund 15 Mrd. Euro Umsatz erzielt. Der so entstehende Stahlgigant versetzt die Belegschaft in Angst und Schrecken, Arbeitnehmervertreter kündigen Proteste an. Das fusionierte Gemeinschaftsunternehmen kommt auf rund 48.000 Mitarbeiter – 27.000 von Thyssen- krupp. Laut der deutschen Konzernspitze sollen bei beiden Unternehmen jeweils 2000 Stellen wegfallen und Synergien in Höhe von 400 bis 600 Mill. Euro entstehen.
Der Betriebsrat der Stahlsparte von Thyssenkrupp sprach von einer falschen Entscheidung. „Der Vorstand hat gegen alle Warnungen alles auf eine Karte gesetzt. Das bedeutet nicht, dass wir das gutheißen“, sagte Betriebsratschef Günter Back zur dpa. Ziel müsse nun sein, „das Schlimmste zu vermeiden“.
Back zeigte sich überzeugt, dass es bei einer Fusion nicht bei dem angekündigten Abbau von rund 2000 Stellen bei Thyssenkrupp in Deutschland bleiben werde. Am Ende würden dem Zusammenschluss „wesentlich mehr“Arbeitsplätze zum Opfer fallen, sagte er. Für Freitag haben Betriebsrat und die deutsche Gewerkschaft IG Metall zu einer Protestkundgebung in Bochum aufgerufen, zu der mindestens 5000 Stahlkocher erwartet werden.
Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger ist jedoch überzeugt, dass es gelingen werde, in den bevorstehenden Gesprächen auch die Arbeitnehmerseite von dem Vorhaben zu überzeugen. „Wir wollen den Stahl nicht loswerden.“Die Arbeitnehmervertreter hatten zuvor angekündigt, bei einer möglichen Abstimmung im Aufsichtsrat geschlossen gegen eine Fusion stimmen zu wollen. Ein solches Votum wäre ein Novum in der Geschichte des Traditionskonzerns. Bei der für kommenden Samstag geplanten Sitzung des Aufsichtsrats werde es aber zunächst keine Abstimmung geben, sagte Hiesinger.
Von der Krupp-Stiftung – sie ist mit 23,03 Prozent größte Einzelaktionärin – wird das Vorgehen des Vorstands hingegen unterstützt. Hiesinger stellte durch die Fusion eine „nachhaltige Zukunftsperspektive“in Aussicht. Mit dem Zusammenschluss seien beide Unternehmen „weitaus besser aufgestellt, um den strukturellen Herausforderungen von Europas Stahlindustrie zu begegnen“. Die Fusion ermögliche erhebliche Synergien. Der Chef von Tata Steel, Natarajan Chandrasekaran, sprach von einem „Meilenstein“für beide Partner.
In einem Brief an die Mitarbeiter wies Hiesinger auf „erhebliche Überkapazitäten“in der Stahlbranche hin. Die Nachfrage nach Flachstahl wachse nur sehr langsam. Alle Stahlunternehmen arbeiteten mit Restrukturierungsprogrammen dagegen. „Die Wirkung ist aber nur von kurzer Dauer und schnell vom Markt aufgezehrt. Dadurch entstehe eine Abwärtsspirale, „die uns dazu zwingt, immer wieder schmerzhaft nachzuziehen“.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fordert umfangreiche Zusagen für Standorte und Beschäftigte, „einen Zusammenschluss um jeden Preis darf es nicht geben“. Die Standorte in Deutschland müssten erhalten, betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden. Wichtig sei zudem, dass im Falle eines Zusammengehens der Unternehmenssitz in Deutschland liege, weil sich nur damit die Mitbestimmung der Mitarbeiter langfristig sichern lasse, sagte Nahles.
„Die Fusion sichert die Zukunft ab, wir wollen den Stahl nicht loswerden.“ Heinrich Hiesinger, Vorstandschef