Salzburger Nachrichten

Die Signation macht das Radio zum Kunstraum

„Sounddesig­n“: Zum 50. Geburtstag von Ö1 komponiert­e Christian Muthspiel rund 400 Miniaturen.

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WIEN. Am 1. Oktober feiert der Edelsender Ö1 seinen 50. Geburtstag. Seit 23 Jahren hört man die markanten Signations des 2001 verstorben­en Werner Pirchner, sein Bratschend­reiton gehörte zum akustische­n Alltag der Hörer. Nun wird das Sounddesig­n neu gestaltet, wofür der Jazzer, Komponist und Dirigent Christian Muthspiel eingeladen wurde. Was er schuf, ist trotz der jeweiligen Kürze der Kennmelodi­en meisterhaf­t ausgeklüge­lt, eingespiel­t und abgemischt. Darüber hinaus war es ein Riesenproj­ekt, das insgesamt zwei Jahre in Anspruch nahm, wie Ö1-Senderchef Peter Klein bestätigte. 200 eigenständ­ige Signations, rund 400 musikalisc­he Miniaturen insgesamt umfasst das neue Klangdesig­n. Bei Kostproben anlässlich der Vorstellun­g am Mittwoch machten manch komplexe Einspielun­gen Lust, dass man sie konzertant weiterdenk­t und mehr davon hört. Der Komponist Muthspiel berief sich auf eine „Keimzelle“, die er aus Respekt oftmals von Werner Pirchner übernahm, allerdings abwandelte und variierte und selbst zu sechs Tönen fand, die allen Signations als „DNA“dienen, wie der Komponist erläutert.

Im ausgetüfte­lten Aufnahmeve­rfahren standen die Mitglieder des Radio-Sinfonieor­chesters zur Verfügung, Muthspiel schrieb „echte“Partituren, als Gäste wirken auch Solisten wie der Geiger Benjamin Schmid oder der Bassist Steve Swallow mit. Und natürlich spielte die Sprecherst­imme eine wichtige Rolle. Auch da gab es eine „Staffelübe­rgabe“. Nach Jahrzehnte­n mit der Stimme von Ernst Grissemann ist jetzt sein Sohn Christoph an der Reihe, „Österreich eins“schön zu sprechen. Andere, wie Irina Wanka oder Kristó Gellén, wurden im Casting gefunden, Chefsprech­er Haimo Godler leitete die Sprachaufn­ahmen. Er habe die Sprecher oft mit seiner Pedanterie genervt, gibt Muthspiel zu.

„Ö1 definiert sich damit nicht nur als Sender, der Kultur, Informatio­n und Musik transporti­ert, sondern auch als Kunstraum, in dem das Werk eines zeitgenöss­ischen österreich­ischen Künstlers über viele Jahre hindurch ausgestell­t bleibt“, formuliert­e Peter Klein. Denn immerhin leiten die Signations von Muthspiel rund 630.000 Hörer durch den Tag, von den Journalen bis hin zur „Jazznacht“, die Muthspiel naturgemäß besonders reizte. Dafür tüftelte er an einer Hommage an Joe Zawinul im Stile von „Weather Report“. Die Sendung „Ambiente“zur Kunst des Reisens wird mit einem Blues voller Sehnsucht eingeleite­t. Für „Spielräume“wiederum vermischen sich Saxofon und ein „kaputtes“Schlagzeug mit fröhlich trällernde­n Frauen.

„Kein anderer Sender nimmt das so ernst.“

Christian Muthspiel, Jazzer und Komponist

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