Gedankenlose Sprache
Wenn wir über Flüchtlinge oder Migranten sprechen, sagen wir oft: Das sind „Menschen, die sich illegal zu uns auf den Weg gemacht haben“. Wir haben dabei aber selten nachgedacht, was das bedeutet: sich illegal auf den Weg machen. Illegal mache ich mich auf den Weg, wenn ich a) aus einem Gefängnis ausbreche, b) mich unerlaubt von der Truppe entfernte (als Deserteur), c) mein Herkunftsland entgegen den Vorschriften verlasse („Republikflüchtling“ hieß das in der DDR). Es ist wahrscheinlich, dass der eine oder andere Geflüchtete ein Gefangener auf der Flucht ist (wie 1956 nach dem Ungarnaufstand oder 1968 nach dem Prager Frühling). Etliche junge Männer aus Syrien oder Eritrea gaben an, dass sie vor der Einberufung durch die Armeen ihres Herkunftslandes flohen. Alle übrigen aber sind unterwegs, ohne ein Vergehen begangen zu haben – also NICHT illegal. Ähnlich ist es mit dem Begriff „illegale Zuwanderung“. Wir wenden ihn auf alle an, die zu uns kommen, ohne dass wir sie gerufen haben. Was bedeutet aber „illegale Zuwanderung“wirklich? Ich komme aus dem Ausland und lebe hier ohne Aufenthaltsberechtigung (als „UBoot“). Wer über einen offiziellen Grenzübergang das Land betritt und sich hier bei den Behörden meldet (z. B. mit dem Wort „Asyl“) unter Nennung seiner echten Identität, ist NICHT illegal hier. Was drücken wir aus mit unseren (hoffentlich nur) gedankenlos verwendeten Formulierungen? Herabwürdigung. Wir sollten uns überlegen, was wir sagen. Oder gilt der Ausspruch vom Weiss-Ferdl: Man sagt ja nix, man redet ja bloß? Ludwig A. Simon,