Da drängen sich die Farben
Anton Kolig gilt nach Egon Schiele und Oskar Kokoschka als Österreichs innovativster Maler der Zeit vor 1914. Diese Reihenfolge entdeckte auch der Sammlerkönig Rudolf Leopold für sich.
WIEN. Ausgerechnet über Nötsch wurden die Bomben abgeworfen, die eigentlich für Salzburg bestimmt waren. Nötsch im Gailtal war das Ziel alliierter Flugzeuge, weil man das Dorf für wichtig hielt, glaubt Franz Smola, Kurator des Leopold Museums. In Nötsch hatte Anton Kolig (1886–1950) Ruhe und Schutz gesucht vor dem Zweiten Weltkrieg und seinen Zerstörungen, die er als Professor in Stuttgart erlebt hatte. In Nötsch war der Familienmensch Kolig – er hatte die Schwester seines Künstlerkollegen Franz Wiegele geheiratet – schon länger ansässig. Im Dezember 1944 trafen also die Bomben nicht nur das Wohnhaus und töteten Franz Wiegele und weitere Familienmitglieder, sondern in den Trümmern wurde Anton Kolig verschüttet. Er überlebte, körperlich schwer gezeichnet.
Das Geburtshaus von Wiegele steht noch in Nötsch und wurde 1998 in ein Museum umgewandelt, das dem „Nötscher Kreis“gewidmet ist, neben Franz Wiegele und Sebastian Isepp auch den „Zugezogenen“Anton Mahringer und eben Anton Kolig.
Die Spätphase, also das Werk nach dem Zweiten Weltkrieg, dessen Ende Kolig nur fünf Jahre lang überlebte, ist geprägt von der Hinwendung zu religiösen Themen, neuer Farbfindung – und einer Salzburger „Beziehung“. Der Galerist Friedrich Welz stellte erstmals eine umfangreiche Ausstellung zusammen und veröffentlichte eine Monografie. Schon 1937 hatte Welz den Künstler angeregt, einen Entwurf für den Eisernen Vorhang des Großen Festspielhauses zu liefern. Zwar waren die Arbeiten mit Verzug 1948 weit gediehen, der Tod Koligs verhinderte aber eine Realisierung. Die Mitte dieses farbenkräftigen Entwurfs bildet ein Baum der vier Jahreszeiten, allerhand allegorische Figuren umschweben dieses Zentrum. Zu den Salzburger Festspielen hatte Clemens Holzmeister Kolig schon 1926 geholt, er gestaltete sechs gemalte Gobelins für den Festspielsaal. Robin Christian Andersen lieferte weitere fünf dieser Wandteppiche, die Kollegen arbeiteten gemeinsam im Carabinierisaal. In der kurzen Zeit von Anfang Juli bis zur Eröffnung der Festspiele – damals am 13. August – war Kolig fertig geworden. Ein Mosaik in der Eingangshalle wurde später vernichtet und besonders übel wurde dem Künstler in Kärnten mitgespielt. Von seinem Freskenzyklus im Saal des Klagenfurter Landhauses blieben nach der Zerstörung durch die Nazis nur SchwarzWeiß-Fotografien, die Kolig bei der Arbeit mit Studenten zeigen. Späte Genugtuung: Koligs Enkel Cornelius Kolig, leidgeprüft in politischen Auseinandersetzungen, rekonstruierte ab 1998 nach Resten und Skizzen das Werk seines Ahnen.
Dass der Sammler und Museumsgründer Rudolf Leopold von Egon Schiele und Oskar Kokoschka geradezu besessen war, ist bekannt, aber er sammelte auch den expressionistischen Kolig. 20 Gemälde aus dem Sammlungsbestand sind nun in der insgesamt 60 Gemälde umfassenden Ausstellung zu sehen, dazu gibt es rund 50 Arbeiten auf Papier. Der in Mähren geborene Kolig war Studienkollege von Kokoschka in Wien, an der Akademie lernte er Egon Schiele kennen, mit dem er gemeinsam ausstellte. Während des Ersten Weltkriegs entstanden Soldatenporträts und auch Gesellschaftsdamen wie Berta Zuckerkandl und die Opernsängerin Marie Gutheil-Schoder saßen Modell. Immer wieder malte Kolig männliche Akte, aber auch Stillleben, allegorische Gruppenbilder und Familienporträts. Ein Farbenrausch tut sich da auf beim Ausstellungsrundgang durch ein meisterliches Lebenswerk. Ausstellung: