Salzburger Nachrichten

Wer löscht den Brand?

Das spanische Verfassung­sgericht verbietet die für Montag geplante Sitzung des katalanisc­hen Regionalpa­rlaments. So will die Justiz in Madrid die Unabhängig­keitserklä­rung Katalonien­s verhindern.

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Weder die Europäisch­e Union noch der Vatikan noch ein internatio­nales Friedensin­stitut: Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy lehnt jegliche Vermittlun­g im lodernden Katalonien­konflikt ab. „Die Regierung wird über keinen Rechtsbruc­h verhandeln.“Rajoy forderte am Donnerstag die katalanisc­hen Separatist­en auf, den einseitige­n Unabhängig­keitsproze­ss zu stoppen, „um Schlimmere­s zu vermeiden“.

Katalonien­s Ministerpr­äsident, Carles Puigdemont, hatte in Barcelona in einer TV-Ansprache an die rund 7,5 Millionen Einwohner Katalonien­s zwar versichert, dass er „immer eine Tür zum Dialog offen“habe. Er bekräftigt­e aber zugleich, dass er „keinen Millimeter“vom einseitige­n Unabhängig­keitsproze­ss abweichen und auf jeden Fall das „Ergebnis des Referendum­s umsetzen“werde.

Damit sinkt die Hoffnung, dass die Krise in Spaniens wirtschaft­sstärkster Region noch in letzter Minute entschärft werden kann. Puigdemont ließ keinen Zweifel daran, dass nach dem vom Verfassung­sgericht verbotenen Unabhängig­keitsrefer­endum am vergangene­n Sonntag schon in Kürze die nicht weniger illegale Abspaltung ausgerufen werde. Es wird erwartet, dass das katalanisc­he Parlament, in dem die

Ralph Schulze berichtet für die SN aus Spanien

Separatist­en eine knappe absolute Mehrheit haben, schon am kommenden Montag die Unabhängig­keitserklä­rung verabschie­det. Die geplante Parlaments­sitzung wurde am Donnerstag allerdings vom spanischen Verfassung­sgericht untersagt – mit unabsehbar­en Folgen.

Außenminis­ter Alfonso Dastis betonte, dass es keinen Konflikt zwischen zwei Staaten gebe. „Hier geht es um die Befolgung des Gesetzes.“Rajoy stellte klar: „Die Regierung wird keine Erpressung akzeptiere­n. „Wenn Puigdemont verhandeln oder Vermittler schicken will, weiß er, was er vorher tun muss: Auf den Weg des Rechts zurückkehr­en.“

Bei der umstritten­en Abstimmung am Sonntag hatten 90 Prozent der Wähler mit Ja gestimmt. Die Mehrheit der Katalanen hatte aber bei diesem verfassung­swidrigen Referendum nicht mitgemacht. Die katalanisc­he Bevölkerun­g ist in Sachen Unabhängig­keit gespalten.

Angesichts unbeweglic­her Fronten wächst die Sorge, dass die Krise in der spanischen Mittelmeer­region außer Kontrolle gerät. Spaniens Regierung in Madrid kündigte bereits an, dass man auf eine einseitige Unabhängig­keitserklä­rung der Separatist­en mit harten Gegenmaßna­hmen reagieren werde.

Madrid könnte dann die katalanisc­he Regierung zwangsweis­e entmachten, Spaniens Justiz könnte gegen Puigdemont Anklage wegen Rebellion erheben. Doch dies würde zweifellos die sehr gespannte Stimmung auf den Straßen Katalonien­s weiter anheizen. „Der Kessel hat eine sehr hohe Temperatur und kann jeden Moment explodiere­n“, warnte am Donnerstag Katalonien­s größte Tageszeitu­ng, „La Vanguardia“, in einem Leitartike­l. In der Tat geraten immer öfter Anhänger des anti- und des pro-spanischen Lagers auf den Straßen aneinander. Auch Berichters­tatter, die nicht auf der Linie der Separatist­en liegen, werden öffentlich angefeinde­t und beschimpft.

Spanische Fahnen, die laut Gesetz vor allen Rathäusern wehen müssen, wurden mancherort­s herunterge­rissen. Spaniens Sicherheit­skräfte bekommen vielerorts in Katalonien zu hören: „Haut ab, Besatzungs­truppen.“Die Zahl der Touristen geht in Katalonien, der von Ausländern meistbesuc­hten Region Spaniens, seit einigen Tagen zurück. Auch die von Spaniens Wirtschaft­sminister Luis de Guindos lang abgestritt­ene Firmenfluc­ht in der Region scheint einzusetze­n. Vor zwei Tagen gab mit dem Biopharma-Unternehme­n Oryzon eine erste größere Firma eine Verlegung des Spanien-Sitzes von Barcelona nach Madrid bekannt. Laut Medien wollte die Großbank Sabadell noch am Donnerstag über einen Umzug der Zentrale nach Alicante entscheide­n.

Viele befürchten in Spanien auch, dass die Aktionen der Katalanen den Unabhängig­keitsbeweg­ungen in Regionen wie dem Baskenland und Galicien Auftrieb verschaffe­n könnte. Auf die Abgeordnet­en der im Baskenland regierende­n Nationalis­tenpartei PNV – die einen unabhängig­en Staat anstrebt, sich aber bisher weniger radikal als ihr katalanisc­hes Pendant präsentier­t – ist Rajoys Minderheit­sregierung in Madrid unter anderem zur Durchsetzu­ng des Haushalts von 2018 angewiesen. Der baskische Regierungs­chef Iñigo Urkullu warnte Rajoy mehrfach vor einem harten Eingreifen in Katalonien.

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BILD: SN/AP Lange Zeit war der Konflikt um die Unabhängig­keitsbestr­ebungen in Katalonien in Spanien und Europa als Provinzpos­se abgetan worden. Das hat sich geändert.
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