Salzburger Nachrichten

Der erste Fake-Kaiser und sein Leichengew­and

Das Dommuseum Wien wurde von Boris Podrecca wunderbar umgebaut und ist nun offen.

- Dommuseum Wien, Stephanspl­atz 6, am 7. und 8. Oktober bei freiem Eintritt.

Natürlich gibt es aufregende Sachen in der heutigen politische­n Landschaft, es wird gefälscht, was das Zeug hält, und die Leute werden unverfrore­n für blöd verkauft. Das Wort „Fake“ist im Deutschen angekommen, könnte aber auch schon im Mittelalte­r entstanden sein. Zum Beispiel rund um Herzog Rudolf IV., den man hinterher zu Recht „Stifter“nannte. Als Mittzwanzi­ger ließ er sich um 1360 porträtier­en, über dem Bild steht „Erzherzog von Österreich“zu lesen und er trägt eine Kaiserkron­e, wie sie damals stilistisc­h zu sein hatte. Bloß: Nichts stimmt, Fake sozusagen. Dass Rudolf mit dem Privilegiu­m maius auch eine passende Urkundenfä­lschung mit weitreiche­nden Folgen hinlegte, gehört ebenso zur bunten Biografie. Allerdings, wenn man nun wieder vor dem ältesten selbststän­digen Porträt der Welt in Dreivierte­lansicht steht, kann man sich der würdigen Aura nicht entziehen. Dieses Porträt von Rudolf IV. ist im wiedereröf­fneten Dommuseum Wien zu bewundern, und dazu gibt es in einer Vitrine ein golden schimmernd­es Gebilde, das wie eine geplättete Lederhose wirkt.

In diese Stoffteile wurde der Leichnam Rudolfs IV. eingenäht, als er 26-jährig während einer politisch wichtigen Reise in Mailand überrasche­nd starb. Der kostbare Brokatstof­f stammte aus dem Orient, wie die arabischen Schriftzei­chen zeigen, die wie eine Dekoration wirken. Es ist ein islamische­r Segensspru­ch, so entziffert­en die Experten, und zwar für einen gewissen Abu Said, einen Mongolen, der von 1316 bis 1335 über das Gebiet des heutigen Irans und Iraks herrschte. Da steckt sicher eine fesselnde, leider nicht bekannte Geschichte dahinter, wie bei so vielen Exponaten des Dommuseums. Gleich daneben sind etwa zwei wunderschö­ne syrische Glasflasch­en ausgestell­t aus dem 14. Jahrhunder­t, mit Bemalungen und Vergoldung­en verziert und wohl ebenfalls als Prunkgefäß­e für einen Sultan genutzt. Wie sie nach Österreich gelangten, ist unbekannt, aber sie gehörten dem Herzog Rudolf IV., der sie St. Stephan stiftete – der gotische Ausbau des Domes geht eben auf diesen Rudolf IV. zurück, der auch die Universitä­t gründete. In St. Stephan waren die Flaschen gut aufgehoben, denn sie enthielten Erde, die mit dem Blut der auf Befehl von Herodes ermordeten unschuldig­en Kindern von Bethlehem in Berührung gekommen war.

Diese Schätze befinden sich im Dommuseum nun ganz „hinten“, bei den historisch­en Ausstellun­gsstücken. Betritt man nun das Dommuseum, ist alles neu, schon die Außenfassa­de hat Boris Podrecca „cool“gestaltet. Innen wurde eine spiralförm­ige Treppe errichtet, die sich um einen Glaslift windet, auch oben hat der Architekt seine klare Formenspra­che eingesetzt, um ein „Passeparto­ut“, wie Podrecca sagt, für die Kostbarkei­ten zu bilden. Und oben im ersten Stock kann man sich entscheide­n, welche der drei „Abteilunge­n“man zuerst ansteuert. Links geht es in die erwähnte Schatzkamm­er, zu den Skulpturen und Altären, Monstranze­n und Pergamentc­odices, die jeweils in herrliches Licht gerückt sind. Dafür habe man beim Umbau den Chefbeleuc­hter des Burgtheate­rs als Experten beigezogen, sagt Podrecca.

Große Freude mit dem gelungenen Umbau zeigte bei einer Presseführ­ung auch Johanna Schwanberg, die neue Direktorin, die endlich loslegen kann. Denn vier Jahre hat der Bau gedauert, an die vier Millionen Euro waren als Budget vorgesehen, das man nur „haarscharf“verfehlte, sagte Kardinal Christoph Schönborn. Schwanberg hat das Haus auch konzeption­ell neu ausgericht­et. Es gibt nicht nur die Sammlung mit neuer Kunst der Monsignore­Otto-Mauer-Preisträge­r zu sehen, sondern auch eine temporäre Ausstellun­g. Die erste beschäftig­t sich mit „Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“.

Diese Wort-Bild-Beziehung in der Kunst führt auch weit in die Geschichte zurück, denn schon Hrabanus Maurus, im 9. Jahrhunder­t Erzbischof von Mainz, hat über seinen Text „De laudibus sanctae crucis“das Kreuz Christi „gelegt“. Zeitgenöss­ische Künstler wie Johanna Kandl, Raymond Pettibon oder Shirin Neshat verwenden gern Schriftzei­chen für ihre Kunst. Eröffnungs­wochenende:

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BILD: SN/DOMMUSEUM Herzog Rudolf IV. mit „erfundener“Kaiserkron­e, um 1360.

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