Der erste Fake-Kaiser und sein Leichengewand
Das Dommuseum Wien wurde von Boris Podrecca wunderbar umgebaut und ist nun offen.
Natürlich gibt es aufregende Sachen in der heutigen politischen Landschaft, es wird gefälscht, was das Zeug hält, und die Leute werden unverfroren für blöd verkauft. Das Wort „Fake“ist im Deutschen angekommen, könnte aber auch schon im Mittelalter entstanden sein. Zum Beispiel rund um Herzog Rudolf IV., den man hinterher zu Recht „Stifter“nannte. Als Mittzwanziger ließ er sich um 1360 porträtieren, über dem Bild steht „Erzherzog von Österreich“zu lesen und er trägt eine Kaiserkrone, wie sie damals stilistisch zu sein hatte. Bloß: Nichts stimmt, Fake sozusagen. Dass Rudolf mit dem Privilegium maius auch eine passende Urkundenfälschung mit weitreichenden Folgen hinlegte, gehört ebenso zur bunten Biografie. Allerdings, wenn man nun wieder vor dem ältesten selbstständigen Porträt der Welt in Dreiviertelansicht steht, kann man sich der würdigen Aura nicht entziehen. Dieses Porträt von Rudolf IV. ist im wiedereröffneten Dommuseum Wien zu bewundern, und dazu gibt es in einer Vitrine ein golden schimmerndes Gebilde, das wie eine geplättete Lederhose wirkt.
In diese Stoffteile wurde der Leichnam Rudolfs IV. eingenäht, als er 26-jährig während einer politisch wichtigen Reise in Mailand überraschend starb. Der kostbare Brokatstoff stammte aus dem Orient, wie die arabischen Schriftzeichen zeigen, die wie eine Dekoration wirken. Es ist ein islamischer Segensspruch, so entzifferten die Experten, und zwar für einen gewissen Abu Said, einen Mongolen, der von 1316 bis 1335 über das Gebiet des heutigen Irans und Iraks herrschte. Da steckt sicher eine fesselnde, leider nicht bekannte Geschichte dahinter, wie bei so vielen Exponaten des Dommuseums. Gleich daneben sind etwa zwei wunderschöne syrische Glasflaschen ausgestellt aus dem 14. Jahrhundert, mit Bemalungen und Vergoldungen verziert und wohl ebenfalls als Prunkgefäße für einen Sultan genutzt. Wie sie nach Österreich gelangten, ist unbekannt, aber sie gehörten dem Herzog Rudolf IV., der sie St. Stephan stiftete – der gotische Ausbau des Domes geht eben auf diesen Rudolf IV. zurück, der auch die Universität gründete. In St. Stephan waren die Flaschen gut aufgehoben, denn sie enthielten Erde, die mit dem Blut der auf Befehl von Herodes ermordeten unschuldigen Kindern von Bethlehem in Berührung gekommen war.
Diese Schätze befinden sich im Dommuseum nun ganz „hinten“, bei den historischen Ausstellungsstücken. Betritt man nun das Dommuseum, ist alles neu, schon die Außenfassade hat Boris Podrecca „cool“gestaltet. Innen wurde eine spiralförmige Treppe errichtet, die sich um einen Glaslift windet, auch oben hat der Architekt seine klare Formensprache eingesetzt, um ein „Passepartout“, wie Podrecca sagt, für die Kostbarkeiten zu bilden. Und oben im ersten Stock kann man sich entscheiden, welche der drei „Abteilungen“man zuerst ansteuert. Links geht es in die erwähnte Schatzkammer, zu den Skulpturen und Altären, Monstranzen und Pergamentcodices, die jeweils in herrliches Licht gerückt sind. Dafür habe man beim Umbau den Chefbeleuchter des Burgtheaters als Experten beigezogen, sagt Podrecca.
Große Freude mit dem gelungenen Umbau zeigte bei einer Presseführung auch Johanna Schwanberg, die neue Direktorin, die endlich loslegen kann. Denn vier Jahre hat der Bau gedauert, an die vier Millionen Euro waren als Budget vorgesehen, das man nur „haarscharf“verfehlte, sagte Kardinal Christoph Schönborn. Schwanberg hat das Haus auch konzeptionell neu ausgerichtet. Es gibt nicht nur die Sammlung mit neuer Kunst der MonsignoreOtto-Mauer-Preisträger zu sehen, sondern auch eine temporäre Ausstellung. Die erste beschäftigt sich mit „Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“.
Diese Wort-Bild-Beziehung in der Kunst führt auch weit in die Geschichte zurück, denn schon Hrabanus Maurus, im 9. Jahrhundert Erzbischof von Mainz, hat über seinen Text „De laudibus sanctae crucis“das Kreuz Christi „gelegt“. Zeitgenössische Künstler wie Johanna Kandl, Raymond Pettibon oder Shirin Neshat verwenden gern Schriftzeichen für ihre Kunst. Eröffnungswochenende: