Wirklich Großes entsteht nicht nur im Silicon Valley
Tricentis hebt die Welt der Softwaretests aus den Angeln und ist auf dem Weg zum Weltmarktführer: Von Österreich aus. Mitgründer Franz Fuchsberger macht Mut.
Es hat im Bereich automatisierter Softwaretests eine Lösung entwickelt, die einen Automatisierungsgrad von mehr als 90 Prozent und auch eine Risikoabdeckung von mehr als 95 Prozent schafft. Denn bevor ein Softwareprodukt auf den Markt kommt, müssen viele Tests gemacht werden, um unerwünschte Auswirkungen zu verhindern und Risiken zu minimieren. Obwohl es Testsoftware seit 20 bis 30 Jahren gibt, wurden und werden Tests nach wie vor in hohem Ausmaß manuell durchgeführt. „Mehr als 80 Prozent der Großunternehmen testen noch immer manuell“, sagt Fuchsberger.
Der Test-Markt ist 32 Milliarden Dollar schwer und den will Tricentis völlig aus den Angeln heben. Weil Unternehmen in immer kürzeren Abständen Neues auf den Markt bringen, steigt auch der Bedarf an Tests. Das Problem dabei ist, dass es oft sechs Wochen vom Ende der Entwicklung einer Software bis zur Inbetriebnahme dauert. Diese Zeit haben die meisten nicht mehr. Hier kommt Tricentis ins Spiel. Fuchsberger gibt ein Beispiel: Einer seiner Kunden hatte elf Tester, die mit 4800 Testfällen zehn Wochen gebraucht hatten und damit eine schwache Risikoabdeckung von 37 Prozent erreichten. Sie wollten aber eine Risikoabdeckung von 85 bis 90 Prozent. „Wir haben festgestellt, für 90 Prozent Risikoabdeckung brauchen die nur 1200 Testfälle, wenn man das richtige Testfall-Design macht. Dann erst haben wir die Automatisation draufge- setzt. Jetzt testet das Unternehmen in acht Stunden mit 90 Prozent Risikoabdeckung. Das ist ein Neudenken des Testens“, sagt Fuchsberger. Ein Schlüssel von Tricentis ist, dass Tests so gestaltet sind, dass nicht wie üblich nur Entwickler etwas damit anfangen können. In der Konsumwelt spräche man von Bedienfreundlichkeit.
In Tricentis wird so viel Potenzial gesehen, dass es heuer 165 Millionen Dollar von Insight Venture Partners bekam. Damit haben Fuchsberger und Platz die Mehrheit an ihrem Unternehmen abgegeben, aber auf dem Weg zum weltweiten Marktführer ist zusätzliches Geld nötig. Da genügt auch das rasante Wachstum des profitablen Unternehmens nicht. Im ersten Halbjahr 2017 hat sich das Geschäft gegenüber dem Vergleichszeitraum 2016 verdoppelt. Heuer sollen 50 Millionen Euro umgesetzt werden.
Fuchsberger und Platz sitzen im Board und sind Vertriebs- beziehungsweise Strategiechef. Schon vor der der jüngsten Finanzierungsrunde hatten sie mit Sandeep Johri eine große Nummer in der Branche als Vorstandschef in ihr Unternehmen geholt. Dass sie nun weder Chef noch Mehrheitseigentümer sind, macht Fuchsberger nichts aus. „Vor dem Einstieg von Insight habe ich natürlich darüber nachgedacht, wie sich das anfühlen wird, wenn wir nicht mehr die Mehrheit haben. Aber es ist richtig so.“Das Ziel Weltmarktführer schreibt quasi den Weg vor.
Tricentis hat weltweit Niederlassungen in neun Ländern und 360 Mitarbeiter, 200 davon in Österreich. Der Hauptsitz soll in Wien bleiben. Wien sei im Vergleich zu anderen großen Städten günstig, und es gebe viele Talente aus Osteuropa hier, sagt Fuchsberger. Für die Gründerszene, auch Fuchsberger investiert in andere Start-ups, sieht er in Österreich eine gute Zukunft. Denn nun entwickle sich hier auch eine Investorenszene, gute Ideen und Leute seien ohnehin da. Von der Politik wünscht er sich, dass diese das Thema Startups zu einer Priorität mache, „damit wie mit Tricentis in Österreich wieder mehr Headquarters angesiedelt werden“.
Der Salzburger selbst plant für Tricentis den Börsegang oder den Verkauf an einen strategischen Investor. „Dann packe ich meinen Rucksack und gehe von Hof in Salzburg über die Alpen zum Gardasee und überlege, was ich nach Tricentis mache.“