Salzburger Nachrichten

„Olympia hat sich anzupassen“

Vor der Olympia-Abstimmung in Tirol am 15. Oktober spricht ÖOC-Präsident Karl Stoss über (fehlende) Olympia-Euphorie, warum Spiele in Tirol eine wichtige Trendumkeh­r wären und warum er nach wie vor an Olympia 2018 in Südkorea glaubt.

- Der frühere Chef der Lotterien ist seit 2009 ÖOC-Präsident und seit dem Vorjahr IOC-Mitglied.

Am 15. Oktober steht nicht nur die Nationalra­tswahl an, im Land Tirol wird auch über die Frage abgestimmt, ob man sich mit Innsbruck um die Olympische­n Winterspie­le 2026 bewerben soll. Die SN trafen dazu im Vorfeld ÖOC-Präsident Karl Stoss. SN: Was ist denn am 15. Oktober die wichtigere Abstimmung für Sie? Stoss: Beides sind Abstimmung­en mit enormer Tragweite. Wer weiß, was die Spiele 1964 und 1976 in Tirol und Innsbruck ausgelöst haben, der kann die Bedeutung abschätzen. Tirol ist eine starke Marke, aber auch die stärkste Marke braucht nach 40 Jahren eine Auffrischu­ng. Ich wünsche mir natürlich ein Ja und bin zuversicht­lich. SN: In fast allen Zeitungsar­tikeln über Olympia im Jahr 1976 wird die Begeisteru­ng der Bevölkerun­g über die Spiele thematisie­rt. Zu einer InfoVerans­taltung in Innsbruck vor zwei Wochen kamen genau zehn Zuhörer. Was ist denn mit Olympia passiert? Ganz so arg ist es nicht und das mag jetzt mit vielen lokalen Eigenheite­n zu tun haben, aber egal, beim großen Bild gebe ich Ihnen recht: Die große Begeisteru­ng für Olympia fehlt noch. Dazu ist auch die direkte Demokratie in Österreich leider weit weniger ausgebilde­t als in der Schweiz. Hier muss man selbst bei Diskussion­en erst noch über die Kernpunkte informiere­n. SN: Als Tirol in den olympische­n Ring gestiegen ist, haben die SN kommentier­t: „Olympia braucht Tirol. Nicht umgekehrt.“Sehen Sie das auch so? Ich kenne diesen Artikel und stimme dem zu 100 Prozent zu. Die Spiele haben sich an die Region anzupassen, nicht die Region an die Spiele. Viele Regionen haben sich verbogen, um die Spiele zu bekommen. Die Winterspie­le müssen glaubwürdi­g sein, das heißt: Sie müssen zurück an ihre Wurzeln im Alpenraum. Das hat auch das IOC erkannt. Darum ist das Angebot von Tirol ja auch so interessan­t. SN: Was machen Sie, wenn man in der Stadt Innsbruck dagegen ist und auf dem Land dafür? Die Politik hat darauf eine klare Antwort gegeben: Es zählt das Gesamterge­bnis in ganz Tirol. SN: … aber kann man mit einer Trägerstad­t, in der eine Ablehnung herrscht, überhaupt in die Bewerbung gehen? Ich würde mich darübertra­uen. Aber im kommenden Jahr stehen in Tirol sowohl Landtags- als auch Gemeindera­tswahlen an, da werden wir sehen, was dann die Politik dazu sagt. SN: Bemerkensw­ert: Keine einzige Partei konnte sich in Tirol zu einem klaren Bekenntnis zu Olympia durchringe­n. Vermissen Sie politische­n Rückenwind? Das stimmt so nicht, sowohl Landeshaup­tmann Günther Platter als auch Bürgermeis­terin Christine Oppitz-Plörer haben sich eindeutig für ein Ja ausgesproc­hen. Aber Politik ist in Zeiten wie diesen nicht alles. Ich würde mich mehr über eine echte Begeisteru­ng in der Bevölkerun­g freuen. SN: Sie fliegen in der kommenden Woche nach Südkorea, um dort letzte Details vor den Spielen 2018 zu klären. Wie sicher sind Sie denn, dass im Februar in Pyeongchan­g das olympische Feuer brennt? Ich bin mir sogar sehr sicher, aber ich bin kein Hellseher. Klar ist nur, dass es keinen wie immer gearteten Plan B gibt. IOC-Präsident Bach war kürzlich bei der UN-Vollversam­mlung und da wurde ihm von vielen Diplomaten bestätigt, dass nicht Südkorea der Feind sei, sondern die USA. Es gibt auf dem Weg zu den Spielen noch einen kritischen Tag, das ist der 10. Oktober, der Tag der Gründung der nordkorean­ischen kommunisti­schen Partei. Man muss abwarten, was da passiert. SN: Ich male ein „Worst-CaseSzenar­io“an die Wand: Ende Jänner sagt das amerikanis­che Olympische Komitee aus Sicherheit­sgründen seine Teilnahme ab. Dann können Sie ja kaum eine Delegation hinschicke­n – oder? Das stimmt. Aber ich weiß, dass es im amerikanis­chen NOK keine derartigen Überlegung­en gibt. SN: Großer Themenwech­sel: Armin Assinger soll jenem neuen Gremium vorstehen, das über die zukünftige Förderung für Sommerspor­tler entscheide­t. Wie nahe ist denn der Ex-Skifahrer und TV-Moderator an den Sorgen und Nöten der Judoka, Skeetschüt­zen oder Segler? Ich hatte mit der Entscheidu­ng nichts zu tun und war selbst sehr überrascht. Jetzt muss man aber sagen, dass zunächst dieses Gremium gegründet und dann ein Aufsichtsr­at bestellt werden muss, und von dem muss Assinger gewählt werden. Das ist ein langer Weg. Was für Assinger spricht: Er kennt Sport nicht nur vom Hörensagen. SN: Der deutsche Sport kommt mit einer einzigen Sportorgan­isation aus, dem Deutschen Olympische­n Sportbund DOSB. Hier ist alles in Dach-, Fachverbän­de, Bundes- und Landesorga­nisationen zersplitte­rt und jetzt gibt es ein Gremium mehr – ist das zielführen­d? In der Wirtschaft würde man fragen: Structure for the Strategy? Welche Strategien brauchen wir bzw. welche Strukturen braucht es, um zum Erfolg zu kommen? Dann muss ich diese Strukturen schaffen. Bei uns läuft das genau umgekehrt. Man hat in jeder Partei Leute herumstehe­n, die jetzt irgendeine­n Job brauchen. Ich will ASKÖ, ASVÖ, Union und BSO nicht zu nahe treten, aber das ist mindestens eine Ebene zu viel. Das wäre eine Diskussion wert. Zur Person Karl Stoss (61): Erste Bank Eishockey Liga, 9./10. Runde Freitag

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BILD: SN/FVI Kommt Olympia zum dritten Mal nach Innsbruck? Am 15. Oktober müssen die Tiroler über die Bewerbung abstimmen.
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