Wovon wir im Wahlkampf leider wenig gehört haben
Eine abscheuliche politische Schlammschlacht verdeckt den Blick auf die wirklichen Fragen des Lebens.
Eine Fernsehdiskussion jagt die andere. Es ist alles gesagt, und auch schon von jedem. Fragt sich, wer das noch hören und sehen will. Aber die Einschaltquoten sind nach wie vor hoch. Sieht fast so aus, als warte das Publikum vor den TV-Geräten bei Soletti und Bier auf eine Enthüllung, auf eine Sensation, auf einen Eklat, auf einen Untergriff. Das erinnert an ein Lied, in dem die Fernsehnation als sensationslüsterne Blase beschrieben wird, die im Blutrausch auf der Tribüne sitzt und gespannt darauf wartet, dass endlich einer der Helden strauchelt: „Gespannt mit einem Doppler sitzt man da, und hofft auf einen Bumsara.“
Der Wahlkampf ist zu einem schlechten Krimi geworden, in dem jeder jeden verdächtigt, in dem mit falschen Aussagen falsche Fährten gelegt werden. Kaum jemand hat ein Interesse an der Wahrheit. Alle Beteiligten schauen nur auf sich und ihren Vorteil. Die Gegenspieler sollen möglichst schlecht ausschauen. Koste es, was es wolle. Die Schuldigen bleiben im Dunklen. Sie nennen ihre Wahlkampfzentralen „War Rooms“. Kein Wunder, dass hinter den abstoßenden Kriegsspielen in erster Linie Männer stecken.
Wenn als Ergebnis einer solchen Verwirr- und Verhöhnungstaktik Menschen ihr Stimmverhalten danach ausrichten, wen sie jetzt für besonders böse oder umgekehrt für sympathisch, ja bedauernswert halten, ist das Ziel erreicht. Die Wahlentscheidung wird nicht mehr vom inhaltlichen Konzept, sondern von politisch weniger relevanten Faktoren abhängig gemacht. Es zählt, wer sich vor laufender Kamera besser bewegt, weniger Augenringe hat, auf Instagram-Fotos cooler dreinschaut, den Gegner effizienter anschüttet, den Dreck besser abperlen lässt, schneller eine Sachverhaltsdarstellung bei Gericht einbringt, die sich später dann als haltlos erweist. Aber dann ist es zu spät.
Das mag im Contest der Eitelkeiten alles seine Bedeutung haben, die Zukunft Österreichs hängt aber von ganz anderen Kompetenzen ab. Und von anderen Themen. Über die haben wir bis heute, acht Tage vor der Wahl, kaum etwas vernommen.
1. Klimawandel: Die Zukunftsfrage schlechthin. Hier geht es ums Überleben. Bis auf die Grünen, die sich mit dem Thema aber nicht durchsetzen konnten, haben wir
Es geht um alles, nur nicht um die Sache
nicht gehört, wie Österreich seinen notwendigen Beitrag zur Erfüllung des Pariser Abkommens leisten kann.
2. Bildung: Es geht um mehr als um die Ganz- oder Halbtagsschule, um mehr als ein iPad für jeden Volksschüler und um viel mehr als die Mutation fachlich versierter Lehrerinnen und Lehrer zu uniformen Lebenscoaches als Ersatz für überforderte Eltern.
3. Landflucht: Wir leben in einer Zeit der dramatischen Verstädterung. Ganze Bezirke sind langfristig vom Aussterben bedroht. Die Landflucht ist vor allem weiblich. Junge Frauen kehren ihrer Heimat den Rücken, weil sie ihrer Meinung nach dort keine Aussicht mehr auf ein gutes Leben haben. Da muss sofort gegengesteuert werden.
4. Bürokratie: Das freie Leben in Österreich wird erstickt durch eine überbordende Bürokratie und durch einen Aufpasserstaat, der es in sich hat. Viele Regelungen wirken sich kontraproduktiv aus. Wie etwa die Bestimmung, dass Praktikanten nicht zwei Sommer hintereinander zum Praktikantenlohn beschäftigt werden dürfen, sondern beim zweiten Mal so bezahlt werden müssen, als wären sie jahrelange Mitarbeiter. Der Nanny-Staat will damit verhindern, dass angehende Akademiker als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Er erreicht damit aber das Gegenteil. Ein junger Mensch, der an seine Chance glaubt, wird kein zweites Mal beschäftigt werden, weil es ganz einfach zu teuer ist.
5. Pflege: Das größte Problem aller Probleme, das auf uns zukommt, wird verdrängt. Es gibt keine Konzepte, wie die Pflege in Zukunft finanziert werden soll. Ob über eine Pflegeversicherung für alle oder über eine staatliche Finanzierung, die ihrerseits wieder höhere Abgaben bedingt. Die Abschaffung des Regresses ist eine Erleichterung. Wie die Länder und Gemeinden das finanzieren sollen, wissen sie aber selbst nicht.
Klar ist, in einer Wahlbewegung kann nicht jedes Thema bis ins letzte Detail ausdiskutiert werden. Im aktuellen Machtkampf wird das gar nicht erst versucht. Es geht um alles, nur nicht um eine sachliche Entscheidungsgrundlage. Die Politik beschädigt sich selbst.