Salzburger Nachrichten

Kaufmann und Wanderpred­iger

- Petrus Valdes als Begründer der Waldenser Alexandra Bleyer

1170 oder 1173 erlebte der Kaufmann Petrus Valdes (oder Waldo) aus Lyon seine religiöse Erweckung. Vielleicht war eine Evangelium­slesung ausschlagg­ebend, vielleicht die von einem fahrenden Sänger vorgetrage­ne Legende des römischen Adeligen Alexius, der in der Hochzeitsn­acht seine Frau verließ, eine Pilgerreis­e antrat und Bettler wurde. Tief bewegt beschloss Petrus nach Rücksprach­e mit einem Geistliche­n, in apostolisc­her Armut als Wanderpred­iger zu wirken.

Seine Ehefrau war irritiert, als er ihr die Wahl zwischen seinem bewegliche­n und unbeweglic­hen Gut ließ (sie nahm die Liegenscha­ften) und sein Geld teils wortwörtli­ch beim Fenster hinauswarf. Seine Töchter wurden in einem Nonnenklos­ter unterbrach­t, er selbst erbettelte sich fortan seinen Lebensunte­rhalt. Als Laie wollte er dem Volk in dessen Sprache predigen, wozu er sich die Evangelien und verschiede­ne Bücher der Bibel in die französisc­he Volkssprac­he übersetzen ließ. Die Zahl seiner Anhänger wuchs rasch an, im Volk stießen die „Armen von Lyon“auf regen Zuspruch. Die Waldenser verzichtet­en auf Ehe und Eigentum; bemerkensw­ert ist, dass auch Frauen predigen durften.

1179 versuchten die Waldenser, bei Papst Alexander III. die Predigterl­aubnis zu erwirken. Diese wurde jedoch nur eingeschrä­nkt erteilt und an die Erlaubnis der örtlichen kirchliche­n Obrigkeit gebunden. An der Frage der Predigterl­aubnis entzündete sich kurz darauf der Konflikt mit der Amtskirche. Unkontroll­iertes Predigen durch Laien erschien dem Klerus gefährlich. Ein Teil der Waldenser ignorierte das Verbot und wurde damit der Häresie beschuldig­t. Als locker strukturie­rte Gemeinscha­ft überdauert­en sie die Zeiten und schlossen sich im 16. Jahrhunder­t dem Protestant­ismus an.

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