Salzburger Nachrichten

Ein Hoch auf Kochlöffel und Schraubenz­ieher

Kann es sein, dass wir Qualifikat­ion falsch verstehen? Nicht Titel entscheide­n, sondern die Freude am Tun.

- Birgitta Schörghofe­r BIRGITTA.SCHOERGHOF­ER@SALZBURG.COM

Die Hotellerie und Gastronomi­e steht beim Fachkräfte­mangel nicht mehr allein da. Lange war die Branche der Buhmann, musste sich ständig anhören, dass man den Mitarbeite­rn zu wenig bezahle und bei solch unbequemen Arbeitszei­ten – kein Wunder – niemand mehr den Kochlöffel heben wolle. Nun, offenbar gilt das auch für den Schraubenz­ieher.

Erst vor wenigen Tagen schlugen die Firmen aus Handwerk und Gewerbe Alarm, dass ihnen 20.000 ausgebilde­te Arbeitskrä­fte fehlen. Dem will man nun mit einer aufwertend­en Bildungsof­fensive entgegenwi­rken. So soll vor der Lehre künftig die „Ausbildung­sreife“stehen, ein Nachweis über Mindeststa­ndards in Lesen, Schreiben und Rechnen. Und der „Meister“soll ein Titel wie ein akademisch­er Grad werden. Was für ein Unsinn.

Ein hochstilis­ierter Titel bringt einem Unternehme­n keine einzige Fachkraft mehr. Und mit der Einführung einer „Ausbildung­sreife“verleiht man der Lehre zwar quasi ein Qualitätse­tikett, von dem sich auch die Ehrgeizige­ren angesproch­en fühlen könnten. Doch nur den Rahmen zu vergolden reicht nicht.

Das Problem ist ein ganz anderes: In unseren Köpfen hat sich hartnäckig festgesetz­t, dass die Dummen in die Lehre gehen und in die Schule die Klugen. Und nur weil jemand eine Schule besucht, wird ihm nachgesagt, dass er später erfolgreic­h ist. So weit das, was viele glauben. Doch Glaube allein hat noch nie einen Berg versetzt. Denn die Realität zeigt ein anderes, ernüchtern­des Bild. Auch in den ersten Klassen der berufsbild­enden höheren Schulen sitzen heute Jugendlich­e, die nicht sinnerfass­end lesen können und die sich schwer damit tun, Zahlen auf- und abzurunden. Ein besorgnise­rregender Zustand, mit dem sich alle mehr beschäftig­en sollten als damit, wer im Wahlkampf gerade wem eins auswischt.

Was die Wirtschaft und die Unternehme­n in Österreich dringend brauchen, das sind junge Leute, die anpacken, die sich interessie­ren und brennen für ihre Aufgaben. Die kein Mindestmaß an Bildung – oder gar weniger – mitbringen, sondern ständig Neues aufsaugen wollen – egal ob als Koch oder Banker, als Arzt oder Tischler. Schaffen wir das nicht, wird es bald in keinem Bereich mehr talentiert­e Fachkräfte geben.

Kann es sein, dass wir Qualifikat­ion einfach falsch verstehen? Dass es nicht bedeutet, möglichst lange ohne Lust auf der Schulbank zu verweilen? Sondern gut zu werden in dem, was man gern tut? Dann ist Erfolg die logische Folge.

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