Ein Hoch auf Kochlöffel und Schraubenzieher
Kann es sein, dass wir Qualifikation falsch verstehen? Nicht Titel entscheiden, sondern die Freude am Tun.
Die Hotellerie und Gastronomie steht beim Fachkräftemangel nicht mehr allein da. Lange war die Branche der Buhmann, musste sich ständig anhören, dass man den Mitarbeitern zu wenig bezahle und bei solch unbequemen Arbeitszeiten – kein Wunder – niemand mehr den Kochlöffel heben wolle. Nun, offenbar gilt das auch für den Schraubenzieher.
Erst vor wenigen Tagen schlugen die Firmen aus Handwerk und Gewerbe Alarm, dass ihnen 20.000 ausgebildete Arbeitskräfte fehlen. Dem will man nun mit einer aufwertenden Bildungsoffensive entgegenwirken. So soll vor der Lehre künftig die „Ausbildungsreife“stehen, ein Nachweis über Mindeststandards in Lesen, Schreiben und Rechnen. Und der „Meister“soll ein Titel wie ein akademischer Grad werden. Was für ein Unsinn.
Ein hochstilisierter Titel bringt einem Unternehmen keine einzige Fachkraft mehr. Und mit der Einführung einer „Ausbildungsreife“verleiht man der Lehre zwar quasi ein Qualitätsetikett, von dem sich auch die Ehrgeizigeren angesprochen fühlen könnten. Doch nur den Rahmen zu vergolden reicht nicht.
Das Problem ist ein ganz anderes: In unseren Köpfen hat sich hartnäckig festgesetzt, dass die Dummen in die Lehre gehen und in die Schule die Klugen. Und nur weil jemand eine Schule besucht, wird ihm nachgesagt, dass er später erfolgreich ist. So weit das, was viele glauben. Doch Glaube allein hat noch nie einen Berg versetzt. Denn die Realität zeigt ein anderes, ernüchterndes Bild. Auch in den ersten Klassen der berufsbildenden höheren Schulen sitzen heute Jugendliche, die nicht sinnerfassend lesen können und die sich schwer damit tun, Zahlen auf- und abzurunden. Ein besorgniserregender Zustand, mit dem sich alle mehr beschäftigen sollten als damit, wer im Wahlkampf gerade wem eins auswischt.
Was die Wirtschaft und die Unternehmen in Österreich dringend brauchen, das sind junge Leute, die anpacken, die sich interessieren und brennen für ihre Aufgaben. Die kein Mindestmaß an Bildung – oder gar weniger – mitbringen, sondern ständig Neues aufsaugen wollen – egal ob als Koch oder Banker, als Arzt oder Tischler. Schaffen wir das nicht, wird es bald in keinem Bereich mehr talentierte Fachkräfte geben.
Kann es sein, dass wir Qualifikation einfach falsch verstehen? Dass es nicht bedeutet, möglichst lange ohne Lust auf der Schulbank zu verweilen? Sondern gut zu werden in dem, was man gern tut? Dann ist Erfolg die logische Folge.