Die EU könnte Spanien und Katalonien helfen, wenn sie wollte
Wer einst Österreich wegen der FPÖ boykottierte, müsste sich jetzt im Konflikt Madrid – Barcelona einmischen.
Der unselige Konflikt zwischen der spanischen Staatsmacht und der Region Katalonien illustriert auf bedrückende Weise, wie sehr Nationalismus und Emotionen das Zusammenleben belasten können. Zugleich zeigt eine ganze Serie von Vorfällen, dass sich Europa, beziehungsweise die Europäische Union, nicht so ganz klar darüber ist, wie weit einzelne Regionen das Recht haben (sollen), ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Es gibt in Europa mindestens ein Beispiel für gelungene Regionalautonomie: Südtirol. Gegen allen italienischen Nationalismus ist es dort geglückt, den deutschsprachigen Südtirolern in einem italienischsprachigen Land ein hohes Maß an kultureller und sprachlicher Autonomie zu sichern. Deshalb ist die Zahl jener Südtiroler mittlerweile sehr, sehr klein, die von staatlicher Unabhängigkeit oder Anschluss an Österreich träumen.
Der Disput zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und den Katalanen ist vor allem deshalb zu einem wilden Konflikt ausgeartet, weil in Madrid manche Politiker offen davon träumen, den Katalanen „das Katalanische auszutreiben“. Jedes Verbot aus Madrid stärkt jene, die die Unabhängigkeit wollen. Jede legalistische Erklärung von Premierminister oder König befeuert separatistische Gefühle in Barcelona.
Erstaunlich ist, wie sehr sich die Europäische Union selbst zum Schweigen verpflichtet und damit darauf verzichtet, mäßigend in den spanisch-katalanischen Konflikt einzugreifen. Man zieht sich auf den recht feigen Standpunkt zurück, dass man sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedsstaats einmischen wolle.
Das erinnert fatal an eine Zeit, in der der ganze Ostblock, totalitär regiert, sich gegen jede Kritik an seinen Menschenrechtsverletzungen mit dem Hinweis wehrte, dies alles sei eine „innere Angelegenheit“, in die sich niemand einmischen dürfe. Sind wir wieder so weit, dass sich demokratische Politiker nicht trauen, Fehlentwicklungen in einem befreundeten Staat aufzuzeigen aus Furcht, man könnte sich in „innere Angelegenheiten“einmischen?
Die Haltung der EU verblüfft umso mehr, als etliche ihrer Mitglieder sich vor gar nicht so langer Zeit durchaus in die Regierungsbildung eines Mitgliedsstaats eingemischt haben: Als Wolfgang Schüssel eine Koalition mit der FPÖ einging, reduzierten etliche EU-Staaten „zur Strafe“die Kontakte zu Österreich, um gegen die Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei zu protestieren.
Wenn das damals ihr gutes Recht war, dann wäre es doch jetzt geradezu die Pflicht der Europäischen Union, Einfluss auf Madrid und Barcelona zu nehmen, um Spanien und Katalonien einen Weg aus der verfahrenen Situation zu zeigen. Aber dazu sind die Herrschaften in Brüssel, Paris, Rom und Berlin wohl zu feige.