„Die Nerven flattern pausenlos“
Wovon viele Erfinder nur träumen können, ist Martin Nickel geglückt: Er hat ein markttaugliches Produkt kreiert. Doch der Weg zum Erfolg ist überaus hart und entbehrungsreich.
So etwas bekommt nicht jeder. „Einen sinnlosen Blödsinn kann man nicht anmelden.“Die wirtschaftliche Verwertbarkeit ist Grundvoraussetzung. Dennoch misst er der Bescheinigung keine übergroße Bedeutung bei: „Das ist nichts. Nur ein Zettel.“Mit Erfolg und Ruhm und Reichtum hat das alles nämlich noch rein gar nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. „Bis jetzt habe ich rund 40.000 Euro in die Entwicklung gesteckt. Leidenschaft und Arbeitszeit exklusive“, sagt der gelernte Elektrotechniker. Eine Silbermedaille auf der Erfindermesse in Nürnberg hat er eingeheimst. Das bringt Motivation, aber keine Fördergelder.
In einem seltenen Augenblick der Entspannung lässt der seit 2006 selbstständige Nickel seine Laufbahn Revue passieren: „Wenn ich groß bin, werde ich Erfinder? Nein, so war das bei mir nicht. Ich hatte keine wie immer geartete Mission, die es zu erfüllen galt. Es waren eher Bekannte, die mich darauf hingewiesen haben, dass meine Idee doch ein Patent wert wäre.“Einer Idee, die ein Patent wert ist, jagen in Österreich etwa 400 Erfinder nach. So viele Mitglieder hat der Erfinderverband, den es seit 108 Jahren gibt und der auf seiner Website eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten listet: Josef Ressel (Schiffsschraube), Viktor Kaplan (Turbine), Peter Mitterhofer (Schreibmaschine), Josef Madersperger (Nähmaschine), Igo Etrich (Flugzeugpionier), das Allround-Genie Nikola Tesla, Emanuel Herrmann (Postkarte), Toni Seelos (Parallelschwung) und viele mehr. Nur drei Frauen finden sich in der illustren Gesellschaft: die Chemikerin und Physikerin Erika Cremer (1900–1996), Erfinderin der Gaschromatographie. Die Kernphysikerin Lise Meitner (1878–1968) und Hedwig Eva Maria Kiesler (1914–2000), besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Hedy Lamarr. Die Wienerin erlangte nebst ihrer Karriere als Hollywoodstar auch als Erfinderin Weltruhm. Sie entwickelte für die US Navy eine Funkfernsteuerung für Torpedos. Ihre Erfindung kam zwar im Zweiten Weltkrieg nicht zum Einsatz, jedoch wurde sie viele Jahrzehnte später die Grundlage für alle Formen der drahtlosen Kommunikation. Für seine berühmten Vorgänger hat Martin Nickel keine Zeit. „Die Nerven flattern pausenlos. Es gibt so viele Probleme, die permanent und sofort gelöst werden müssen.“Dazu gehört auch die richtige Dosis Geheimniskrämerei. „Es ist strategisch günstig, nicht zu früh etwas bekannt zu geben. Aber man hat auch Angst, dass jemand anderer auf dieselbe Idee kommt.“Doch jetzt ist der 52-Jährige so weit, dass er sich Sätze wie diesen zu sagen traut: „Die Chance, dass mein Projekt nichts wird, ist gleich null.“Eine Marktstudie von A. T. Kearney habe für Produkte wie jenes von Martin Nickel bis zum Jahr 2020 Umsätze bis zu einer Milliarde Dollar prognostiziert. Sich selbst steuernde Tag-NachtGlühbirnen hätten enormes Potenzial. Die Einsatzgebiete erstrecken sich vom Altersheim bis zur Straßenbeleuchtung.
Doch der Wiener bleibt realistisch: „Wenn ein Großer kommt und das machen will, dann habe ich keine Chance. Da nützt mir auch das Patent nichts.“Prozessieren könnte er sich als Einzelkämpfer nicht leisten. Also gelte es, Kaufangebote „tunlichst anzunehmen“. Wovon die Kollegenschaft mehrheitlich nur träumen kann, bereitet Nickel vermehrt schlaflose Nächte: die Markteinführung seiner „SundialLED“-Birne. Im Jänner oder Februar 2018 soll es so weit sein.