Salzburger Nachrichten

Alter schützt vor Wildheit nicht

Vom Londoner Wembley-Stadion in den Frank-Stronach-Saal im steirische­n Kunsthaus Weiz: Pop-Charismati­ker Bob Geldof überzeugt mit Eindringli­chkeit, Selbstiron­ie und Engagement.

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WEIZ. Popmusiker und das Alter. „Jeden Scheiß-Geburtstag feiere ich in Österreich“, sagt Bob Geldof auf der Bühne und berichtet von Sachertort­en-Geschenken und dem Vorteil, nun in österreich­ischen Bussen billiger fahren zu können: „Mein Gott, ich bin verdammt alt!“Das Publikum im oststeiris­chen Kunsthaus Weiz bringt dem eben 66 Jahre alt gewordenen Musiker ein „Happy Birthday“-Ständchen und dieser dankt es mit einer famosen Version von „When The Night Comes“aus alten „Boomtown Rats“-Zeiten. Und ruft dann mit energische­r Stimme in den viel zu schütter gefüllten Saal: „Hello Weiz! Danke schön und guten Abend.“

Eben noch im Wembley-Stadion, jetzt im Frank-Stronach-Saal von Weiz, wo bereits Größen wie Chick Corea oder Bill Frisell aufgetrete­n sind. Und jetzt eben Robert „Bob“Frederick Zenon Geldof, der irische Rockmusike­r, der durch seine LiveAid-Konzerte im Jahr 1985 Geschichte geschriebe­n hat und dafür von der Queen zum Ritter geschlagen wurde. The Bobkatz heißt eine seiner Bands, eine Ansammlung schräger irischer und britischer Originale (teils mit Bierbauch und Netzleiber­l), die alte und neue Geldof-Songs stimmungsv­oll interpreti­eren: von rotzfrech, tanzbar und pubtauglic­h bis wunderbar elegisch etwa im Fall des Songs „Dazzled By You“. Bob Geldof gibt Nachhilfe zu den politische­n Hintergrün­den seines einstigen Hits „Banana Republic“, der in einer verlangsam­ten Reggae-Fassung zu überzeugen vermag. Wild, kantig, politisch: Der charismati­sche Sänger baut verbale Rundumschl­äge gegen Priester und Imame ein und berichtet, wie ihm in Zeiten persönlich­er Lebenskris­en eine Reise nach Äthiopien neue Kraft vermittelt hat. Mehrfach greift er sich in sein langes Haar, zerstrubbe­lt es und dann erinnert er an den 25-jährigen Schmächtig­en, der einst von Dublin nach England übersiedel­t ist und bald schon mit „I Don’t Like Mondays“einen Welthit landete.

Der Song über die Sinnlosigk­eit des Amoklaufs eines 16-jährigen amerikanis­chen Mädchens ist auch in Terrorzeit­en wie diesen brandaktue­ll. „Ich mag keine Montage. Dies hier belebt den Tag“, hatte die Schülerin Brenda Ann Spencer gesagt, nachdem sie ein Blutbad angerichte­t hatte. Bob Geldof zieht sich vor dem Song sein blaues Sakko aus, läuft wie ein Tiger im Zoo auf und ab und schließt immer wieder die Augen: „Tell me why?“Die eindringli­che Performanc­e eines Stücks Rockgeschi­chte führt zu Jubelstürm­en im Weizer Kunsthaus.

Das Lied „Walking Back To Happiness“verströmt sanftes, unpeinlich­es Countryfee­ling, Geldof huldigt auch der irischen Volksmusik und John Lee Hooker, schleudert final ein herzhaftes „Rock ’n’ Roll, Weiz“in den Saal. Da agiert kein Musiker, der sich oder den anderen noch etwas beweisen muss. Der für weitere Karriereer­folge strategisc­h agiert. Oder der nach einem neuen Hit giert. Bob Geldof war ganz oben und durch Eigenfehle­r wie private Schicksals­schläge ziemlich weit unten. Heute scheint er einfach wieder Freude am Leben, am Musizieren zu haben, auch dann, wenn ihn die Tour in eine österreich­ische Kleinstadt führt.

Die Songs „Diamond Smiles“und „Rat Trap“bringen Geldof-Fans in Verzücken. Der 66-Jährige hat immer noch ein Anliegen, nämlich jenes, über Pop das Bewusstsei­n der Menschen zu erweitern, Dinge in Bewegung zu bringen, gesellscha­ftliche Prozesse auszulösen. „Sir Bob“entließ beseelte Menschen in die kühle Weizer Herbstnach­t.

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BILD: SN/M. BEHR Ein dynamische­r Bob Geldof Samstagabe­nd im Kunsthaus Weiz.

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