Femme fatale mischt ein Hotel auf
Charme und andere Aufregung: Uraufführung von „Hotel Europa“.
Entzückt sind die Männer von Julienne Pfeil. In ihrer Rolle als französische Touristin bringt sie Glamour und Sex-Appeal in die Gemäuer des ansonsten etwas heruntergekommenen Hotelkastens. Verrucht charmant ist sie eine unter den illustren Gästen, mit denen Walter Sachers als dauersudernder Concierge zu kämpfen hat. Er und die emsig deutsche Direktorin Anja Clementi – die eine herrliche Persiflage auf Angela Merkel gibt – sind mit einer Reihe an Sonderwünschen konfrontiert. Auch Hotelpage Luigi mit dem sonnigen Gemüt eines Italieners kann nichts daran ändern. Ein deutscher Gast, brillant von Axel Meinhardt verkörpert, will in besockten Sandalen seinen Proviant in einer Tupper-Box aufwärmen. Ein steifer Engländer giert nach einem schalldichten Fenster. Als dann noch eine amtliche Hotelkontrolleurin den Wehwehchen des Betriebs nachstellt, ist endgültig das Durcheinander perfekt.
Schauspieler und Regisseur Marco Dott zeigte im Salzburger Landestheater die Uraufführung seines Stücks „Hotel Europa“. Viele Stunden muss er während der Konzeptentwicklung für Recherche aufgewendet haben, denn Handlungstreiber des Abends ist ein Spaziergang durch die europäische Musiklandschaft. Den auditiven Bogen spannt Marco Dott unter der musikalischen Leitung von Tom Reif dabei von Helge Schneider bis Beethovens Neunter und Édith Piaf. Walter Sachers kontert mit Helmut Qualtingers Ode an die Menschenfeindschaft „Bei mir sad’s alle im Orsch daham“. Denn jede Figur findet im „Hotel Europa“einen Punkt, an dem sie förmlich aus sich selbst herausbricht. Diese Exzesse sind unterhaltsame Handgriffe und vom Ensemble großartig gespielt. Wenn beispielsweise Genia Maria Karasek als Hotelkontrolleurin die Contenance verlässt und sie sich lautstark singend die Kleider vom Leib strippt oder der zurückhaltende Engländer in den Fängen der schillernden Französin zur „Sexbomb“mutiert und sich an einem Regenschirm vergeht, ist das ein herrliches Treiben. Tatort ist dabei die intelligent gebaute, holzvertäfelte Lobby von Ausstatterin Eva Musil.
Doch warum funktionieren Klischees und ein altbekannter Schauplatz – ein Hotel – als Abriss eines sozialen Gefüges auf eine derart spritzige Weise? Mitunter weil die Regie einen draufsetzt, wo gemeinhin die Dogmen politischer Korrektheit greifen. Dott erinnert daran, dass Humor viel eher als strebsame Verbissenheit der Schlüssel zu einem besseren Miteinander ist. Dramaturgisch spürsinnig montiert er dafür die einzelnen Musiknummern. Die Erfahrung eines Schauspielers, der die Spielbarkeit jederzeit vor Augen hat, unterfüttert die Handlung mit Überraschungsmomenten. Auch scheint der Regisseur seine Ensemblekollegen gut zu kennen, denn die Miniaturen sind für die einzelnen Akteure förmlich maßgeschneidert und perfekt geführt. Dotts unterhaltsames Tableau der europäischen Staatengemeinschaft wird so zum Schauvergnügen für das Publikum.