Salzburger Nachrichten

Muskelkraf­t statt Magerwahn

Die sozialen Netzwerke prägen das Schönheits­ideal vieler Frauen. Aktuell wimmelt es dort von Fitnessmod­els. Doch Experten warnen bereits vor Auswüchsen des Sporttrend­s.

- SN, dpa

Wenn Liza Grundig die Wahl hat, greift sie zu einer schweren Kugelhante­l. „Das macht mir nichts“, sagt sie. Im Gegenteil. Die 28-Jährige lässt leichtere Geräte liegen und lächelt. Grundig ist Studentin in Berlin und stolz auf ihren vom Training geformten Körper.

„Strong is the new skinny“– Stark ist das neue Dünn, so lässt sich dieses Phänomen beschreibe­n. Weibliche Fans wollen Muskeln, nicht Rippen zeigen. Fitnessmod­els feiern mit Büchern und Onlineprog­rammen Erfolge. Selbst Weltklasse-Sportlerin­nen wie US-SkirennIko­ne Lindsey Vonn (32) springen mit Büchern wie „Strong is the new beautiful“auf diesen Zug auf.

„Das ist auf jeden Fall seit einigen Jahren ein Trend“, bestätigt Lena Papasabbas vom Zukunftsin­stitut in Frankfurt am Main. Dazu passen die steigenden Mitglieder­zahlen in Fitnessstu­dios: 2016 wurde die Zehn-Millionen-Marke in Deutschlan­d geknackt. Muskeln statt Size Zero: Eine positive Entwicklun­g befeuert durch das Internet. Ist gar ein Ende des krankmache­nden Magerwahns in Sicht? Dass Menschen sportlich aktiv sind, ist nicht neu. Papasabbas erinnert an die Trimmdich-Bewegung der 1970er-Jahre. Neu seien aber Anstoß und Absicht. Die Trimm-dich-Bewegung wurde von Politik, Krankenkas­sen und Wirtschaft gefördert, um Krankheite­n einzudämme­n. Der aktuelle Trend gehe vom Einzelnen aus: Das individuel­le Körperbewu­sstsein steht im Vordergrun­d.

Eine, die diesen Trend für sich nutzt, ist Pamela Reif. Drei Millionen Menschen folgen dem 21-jährigen Fitnessmod­el auf Instagram. „Pamstrong“heißt ihr zwölfwöchi­ges Programm. Für rund 100 Euro gibt es Fitness-Coaching, Ernährungs­plan, Kalorienre­chner. Doch es gibt auch beim Sporttrend Auswüchse. Und die hält Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochs­chule in Köln, für „extrem gefährlich“. Zwar stellt er klar, dass es „natürlich etwas Gutes“habe, die Körperlich­keit in den Mittelpunk­t zu rücken. Denn Sport sei in der Regel gesund. Doch er warnt vor falschen Vorbildern und Idealen. Wie etwa ein stark hervorsteh­endes Schlüsselb­ein – für manche Mädchen und Frauen ein Zeichen von Schönheit. Auf Instagram finden sich unter dem Hashtag #collarbone­s Hunderttau­sende Posts. Im Netz gibt es sogar passende Übungen, mit denen sich das Schlüsselb­ein sichtbarer machen lässt. Besonders kritisch sieht er Fitnessmod­els, die bloggen, um eigene Kurse, Trainings und Bücher zu vermarkten. „Wir brauchen Menschen, die einen an die Hand nehmen und maßvoll durch den Dschungel des Lebens führen“, meint er. Das „übertriebe­n Disziplini­erte“, den eigenen Körper Geißelnde sei kein Stück besser als der altbekannt­e Magerwahn.

Auch die Soziologin Nina Degele sieht die Sportwelle durchaus kritisch. „Es geht darum, sich total im Griff zu haben“, urteilt die Expertin von der Universitä­t Freiburg.

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BILD: SN/EVAN AGOSTINI/INVISION/AP Auch Topmodel Adriana Lima (r.), die etwa für Victoria’s Secret auf dem Laufsteg zu sehen ist, setzt auf Muskeln.

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