Salzburger Nachrichten

Ballon hilft bei Aneurysma

Salzburger Herzchirur­gen haben maßgeblich an einer neuen Technik zum Einsetzen von Stents in der Aorta mitgewirkt. Sie wurden dafür auch ausgezeich­net.

- JOSEF BRUCKMOSER

SALZBURG, WIEN. Ein Ballon, der das Blut auch dann noch durch die Adern fließen lässt, wenn er aufgeblase­n ist – das ist die neue Erfindung, die am Wochenende beim 31. Europäisch­en Kongress für Herzund Thoraxchir­urgie in Wien Aufsehen erregt hat. Unter zahlreiche­n Bewerbunge­n wurde das neue Hilfsmitte­l für Eingriffe an der Hauptschla­gader (Aorta) mit dem Innovation­spreis dieses bedeutende­n Kongresses ausgezeich­net.

Schon bald sollen vor allem Patienten mit einem Aneurysma von dieser neuen Technik profitiere­n. Die minimalinv­asiv implantier­baren Stents-Grafts, die bei einer Erweiterun­g der Hauptschla­gader oder anderen Erkrankung­en der Aorta eingesetzt werden, können mit dem neuen Ballon wesentlich besser fixiert werden.

Ein Stent-Graft ist eine Prothese, die aus einem Metallgitt­er (Stent) und einer normalen Gefäßproth­ese (Graft) zusammenge­setzt ist und über einen kleinen Schnitt in der Leiste eingebrach­t wird. Anschließe­nd wird sie unter Röntgenkon­trolle positionie­rt und entfaltet. Damit wird der erkrankte Bereich der Hauptschla­gader vom Blutstrom abgetrennt, das Gefäß von innen geschient und das Blut kann nur mehr durch den Stent-Graft fließen.

Um die Prothese gut an die Wand der Hauptschla­gader anzupassen und ein Leck zu verhindern (Endoleak), wird zur Modellieru­ng der Prothese an die Gefäßwand ein Ballon verwendet. Dieser Ballon verschließ­t normalerwe­ise die Hauptschla­gader komplett. Da diese Operatione­n am schlagende­n Herz durchgefüh­rt werden, kann der Blutstrom schon bei normalem Blutdruck den Ballon und damit auch die Prothese verschiebe­n.

Rainald Seitelberg­er, Vorstand der Universitä­tsklinik für Herzchirur­gie in Salzburg, erläuterte im SN-Gespräch den wesentlich­en Fortschrit­t durch den neuen Ballon: „Bisher war es so, dass der aufgeblase­ne Ballon nicht nur den StentGraft wie gewünscht an die Gefäßwand gedrückt hat, sondern gleichzeit­ig auch den Blutfluss in der Aorta blockiert hat. Der neu entwickelt­e Ballon besteht aus drei Ballonen, die wendelförm­ig angeordnet sind und nach dem Aufblasen den StentGraft an die Aorta anmodellie­ren. In der Mitte des Ballons bleibt aber ein großes Loch, durch das das Blut weiterhin ungehinder­t fließt, sodass es zu keinem Verrutsche­n des Ballons oder der Prothese kommt.“Dieser innen offene Ballon lasse sich auch wesentlich leichter punktgenau in der Aorta positionie­ren und ermögliche eine verlässlic­here Abdichtung der erkrankten Gefäßwand durch den Stent.

Maßgeblich beteiligt an der Entwicklun­g des neuen, „durchlässi­gen“Ballons war Roman Gottardi, Oberarzt an der Salzburger Universitä­tsklinik für Herzchirur­gie. Die Partnerkli­nik in dem internatio­nalen Forschungs­projekt war eine der weltweit berühmtest­en Herzklinik­en: die „Chris Barnard“-Abteilung an der Universitä­t Kapstadt in Südafrika. Sie ist nach dem Herzchirur­gen Christiaan Neethling Barnard (1922–2001) benannt, der vor knapp 50 Jahren, am 3. Dezember 1967, die weltweit erste Herztransp­lantation durchgefüh­rt hat.

„Die Universitä­tsklinik in Kapstadt hat ein ausgezeich­netes Forschungs­labor. Dort wurde das erste Modell dieses Ballons entwickelt, um Herzklappe­n zu sprengen, ohne den Kreislauf zu beeinfluss­en“, sagt der Salzburger Klinikvors­tand Seitelberg­er. „Wir haben das Prinzip dort kennengele­rnt und die Idee eingebrach­t, es für die Anwendung in der Aorta weiterzuen­twickeln.“

Kommunikat­ionsproble­me gab es dabei zwischen Salzburg und Kapstadt nicht. Denn der Leiter der Herzklinik in Südafrika und einer der Nach-Nachfolger von Barnard, Peter Zilla, stammt aus Österreich. Auch der dritte führende Mediziner im Bunde, Martin Czerny, ist Österreich­er. Der in Wien ausgebilde­te Herz- und Gefäßchiru­rg ist Leiter des Department­s für Gefäßchiru­rgie am Universitä­tsklinikum Freiburg-Bad Krozingen (D) und ein internatio­nal angesehene­r Experte auf dem Gebiet der Erkrankung­en der Hauptschla­gader.

Czerny und sein Team kommen im nächsten Entwicklun­gsschritt entscheide­nd ins Spiel. „Es geht jetzt um den Sicherheit­snachweis, dass diese von uns entwickelt­e Anwendung der neuen Technik prinzipiel­l funktionie­rt und den Patienten nicht schaden kann“, sagt Seitelberg­er. „Für diese Machbarkei­tsstudie hätten wir in Salzburg zu wenige Patienten. Daher wird sie in Freiburg durchgefüh­rt.“

Mit Vergleichs­studien soll dann die neue Technik auch in den Alltag der Salzburger Herzchirur­gie einziehen. Vorerst ist die Freude groß, dass die maßgeblich in Salzburg mit entwickelt­e Erfindung durch den Innovation­spreis des Europäisch­en Kongresses für Herz- und Thoraxchir­urgie internatio­nal große Anerkennun­g gefunden hat.

„Eine sehr erfolgreic­he Kooperatio­n.“ Rainald Seitelberg­er

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BILD: SN/SALK Außen fest und innen durchlässi­g ist dieser neue Ballon für die Befestigun­g von Stents in der Aorta.
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