Der letzte Auftritt des heimlichen Mister Euro
Wolfgang Schäubles letzter Auftritt im Kreis der Eurofinanzminister öffnet Raum für Hoffnungen und Befürchtungen.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Eurozone geprägt wie keiner seiner Kollegen. Sein Abschied öffnet Raum für Hoffnungen und Befürchtungen.
LUXEMBURG. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire ließ es sich nicht nehmen, seinem Kollegen auf Deutsch seine Reverenz zu erweisen: „Wolfgang Schäuble ist ein großer Finanzminister, ein großer Europäer und persönlicher Freund“, sagte er vor der Sitzung der Eurogruppe am Montag – der letzten, an der Schäuble als deutscher Finanzminister teilnimmt. Er wird am 24. Oktober zum neuen Präsidenten des Deutschen Bundestags gewählt.
Wer Schäuble nachfolgt, ist offen. Das „Handelsblatt“nannte dieser Tage zehn mögliche Kandidaten, darunter FDP-Chef Christian Lindner, dessen Vize Wolfgang Kubicki, Innenminister Thomas de Maizière und Finanzstaatssekretär Jens Spahn. Interimistisch soll Kanzleramtsminister Peter Altmaier einspringen. Wer immer nachkommt, es werde ein „Umbruch“, sagte EUWirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der mit Schäuble in der Griechenland-Krise oft über Kreuz lag: „Es wird ein Davor und ein Danach geben.“
Das Ausscheiden des dienstältesten Finanzministers und heimlichen Vorsitzenden der Eurogruppe löst Hoffnungen und Befürchtungen aus, jedenfalls aber Respekt. Schäuble, der seit einem Attentat im Oktober 1990 im Rollstuhl sitzt, sei ein „harter, aber fairer Politiker“, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. „Er wird uns fehlen.“Finanzminister Hans Jörg Schelling betonte, Schäuble habe großartige Arbeit für Europa geleistet.
Der gebürtige Freiburger, der am 18. September seinen 75. Geburtstag feierte, ist ein Typus von Politiker, der selten geworden ist: extrem diszipliniert, klug, stur bis zur Unnachgiebigkeit, der ebenso bissigironisch wie grob sein kann. In den acht Jahren als Finanzminister hat er fast alle EU-Treffen mitgemacht und die Linie in der GriechenlandKrise maßgeblich mitbestimmt. Am Höhepunkt lieferte er sich verbale Scharmützel mit Kurzzeit-Finanzminister Yanis Varoufakis. Der „berühmte Ökonom“, der in puncto Überzeugungskraft „noch Luft nach oben hat“, stichelte Schäuble.
Varoufakis glaubt, dass Schäubles Handschrift weiter die Eurozone prägen wird. „Sein Vorhaben, die Eurokrise zu nutzen, um die Eurozone in einen eisernen Käfig der Stabilität zu verwandeln, lebt fort und regiert“, sagte Varoufakis vor zehn Tagen in einem Interview. Der Aufstieg der FDP stelle sicher, dass die Politik nicht kippen werde, mit der Berlin verhindere, dass die Eurozone sich in eine lebensfähige Makroökonomie verwandle.
Auch Schäuble selbst zog am Montag Bilanz: Er habe 2009 in einer Situation begonnen, „als uns bewusst wurde, wie fragil die Euro- zone ist“, sagte Schäuble. Es sei gelungen, den Euro stabil zu halten, „was nicht immer leicht gewesen ist“. Über die Dinge, die nicht so gut waren, wolle er nicht so viel reden, „das tun ohnehin die anderen“.
Er sorgte für Gesprächsstoff: Für die Sitzung hat Schäuble ein Papier vorbereiten lassen, in dem die Pläne von Kommissionspräsident JeanClaude Juncker und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für einen Umbau der Eurozone zurückgestutzt werden. Der EU-Rettungsfonds ESM soll mehr Kompetenzen beim Überwachen des Wachstumsund Stabilitätspakts erhalten.